Wie erkennen Senioren, ob sie noch fahrtüchtig sind?

Berlin – Bei der Frage, ob es künftig Fahrtests für ältere Autofahrer geben sollte, setzt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf Eigenverantwortung. Doch wie könnte die aussehen – und was können die Angehörigen älterer Autofahrer machen, wenn sie an der Fahrtauglichkeit Einzelner zweifeln?

Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), gibt Antworten.

Der Bundesverkehrsminister appelliert an die Eigenverantwortung der älteren Autofahrer – wie könnte das gehen?

Siegfried Brockmann: Wir glauben nicht, dass sich die Mehrheit der Senioren an diesem Thema freiwillig beteiligt – etwa bei Rückmeldefahrten. Und schon gar nicht die, die wir am meisten meinen. Denn wer schon fünf Mal von Freunden oder Verwandten gesagt bekommen hat, dass er immer noch ein toller Autofahrer ist, der neigt dazu, sich das bestätigen zu lassen in solchen Maßnahmen. Wenn er aber schon mehrfach gehört hat, dass es eigentlich besser wäre, nicht mehr Auto zu fahren, dann neigt er dazu, sich das besser nicht mehr bestätigen zu lassen.

Aber vielleicht hört er im besten Fall auch darauf?

Brockmann: Aus Befragungsstudien wissen wir, dass Verwandte oder gar Kinder als Berater nicht geschätzt werden. Wohl aber Personen, denen man große Kompetenz zutraut. Wir plädieren für verpflichtende Rückmeldefahrten ab 75 Jahren. Dabei müssen sich Autofahrer von einem Experten anhören, was gut ist, was nicht so gut ist und welche Empfehlung dahinter steckt.

Sie meinen eine verpflichtende Fahrt nur mit beratendem Charakter, warum das?

Brockmann: Eine 45-minütige Fahrt, egal wie ich sie mache, kann zu vielen Fehlurteilen führen. Deswegen bin ich gezwungen, eine mildere Form zu wählen. Denn es geht ja im Wesentlichen um kognitive Probleme, die sich nicht wirklich sicher im Rahmen einer kurzen Testfahrt feststellen lassen. Das kann man im Rahmen einer MPU, die den ganzen Tag dauert. Die ist aber sehr viel teurer. Und die kann ich auch nicht auf einen ganzen Jahrgang auf einen bloßen Verdacht hin anwenden.

Was soll das Ganze dann bringen?

Brockmann: Viele Senioren sagen in Umfragen: Sie würden, wenn sie wüssten, dass sie sich oder andere gefährden, nicht mehr fahren oder den entsprechenden Rat beherzigen. Denn es geht ja in vielen Fällen nicht nur um «Ja» oder «Nein», sondern darum, Defizite zu erkennen.

Wie könnte so ein Rat denn aussehen?

Brockmann: Viele Senioren fahren oft nur noch zum Arzt oder zum Supermarkt. Wenn man dann sieht: Das können die auch noch ganz gut in der gewohnten Umgebung – ja, warum sollen die nicht Auto fahren? Man muss dann aber auch klar sagen «Fahre bitte nicht mehr auf die Autobahn» oder «Fahre bloß nicht mehr in den Urlaub, wo du dich nicht auskennst.» Das sind Dinge, die auch wesentlich einfacher zu beherzigen sind. Man muss sie aber erst einmal wissen. Da das ein schleichender Prozess ist, ist das alleine schon eine Qualität.

Sie arbeiten an einem Konzept, wie solche verpflichtenden Fahrten einmal aussehen könnten. Aber was können ältere Autofahrer denn heute schon tun? Rückmeldefahrten bieten Autoclubs oder Fahrlehrer zum Beispiel ja bereits an.

Brockmann: Wo es in der Region solche Angebote gibt, sollte man die immer einmal wahrnehmen – oder einfach einen Fahrlehrer ansprechen, ob er einmal 45 Minuten mit einem fährt. Das Problem bei Fahrlehrern ist: Sie sind auf ganz was Anderes gedrillt. Sie sollen Leuten beibringen, das Fahrzeug zu beherrschen und die Verkehrsregeln zu kennen. Das ist aber nicht das Problem von Senioren, denn das ist alles Erfahrungswissen. Bei kognitiven Problemen müsste der Fahrlehrer eigentlich besser geschult sein, um sie gut zu erkennen. Aber das ist besser als nichts.

Woran können ältere Autofahrer feststellen, dass sie ein Problem haben könnten? Was sind Indizien?

Brockmann: Wenn ich merke, dass keiner mehr gerne mit mir fahren will. Für einen selber ist es sehr schwer zu erkennen. Denn Senioren machen erst mal alles richtig, sie kompensieren die kognitiven Defizite. Wenn sie aber beispielsweise bei einer für sie unübersichtlichen Kreuzungssituation so lange stehenbleiben, bis alle weg sind, dann passt das allen anderen in der Umgebung nicht, und es gibt vielleicht schon mal die Hupe. Die kann dann wiederum zu Fehlverhalten führen. Und zu einem Grund, es auf andere zu schieben, denn es hat mich ja einer gedrängelt. Senioren lügen sich selbst in die Tasche, wenn sie immer Gründe dafür finden, warum der andere schuld gewesen sein soll.

Also muss man vor allem ehrlich zu sich selbst sein?

Brockmann: Ja – und zulassen, dass meine Umgebung, Kinder, Verwandte und Freunde mir sagen dürfen, wie ich fahre. Dazu muss ich aber vorher deutlich machen, dass es dann auch wirklich keinen Streit gibt. Und sich die Kritik zu Herzen nehmen.

Wie gut können Angehörige von außen einwirken?

Brockmann: Das lassen Senioren oft nicht zu. Die Familienkonflikte in dieser Frage sind ja Legende.


(dpa/tmn)

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