Dortmund – Zelten irgendwo in der Nähe statt mit dem Flieger Richtung Mallorca zu jetten nach dem Abi? Dem Klima zuliebe auf die Fernreise-Partysause verzichten und CO2-neutral in der Region wandern?
Überall in Deutschland bereiten sich zurzeit Schüler auf ihre Abschlussprüfungen vor – und danach stehen oft Reisen per Billigflieger an. Ist das noch unverändert angesagt und akzeptiert in Zeiten der Demos «Fridays for Future», bei denen seit Monaten junge Leute für Klimaschutz auf die Straße gehen?
«Fliegen ist uns zu klimaschädlich», sagen Ira (18) und Celina (17) während einer Freitagsdemo in Dortmund. Für die Abschlussfahrt nach England habe ihr Berufskolleg bewusst die anstrengendere Bus-Variante gewählt. «Nach dem Abitur wollte ich eigentlich eine Weltreise machen. Das werde ich aber nicht tun. Fliegen ist eine Vollkatastrophe für das Klima, das habe ich jetzt begriffen», erzählt Gesamtschülerin Franka Wenz.
Bei den Kundgebungen, aber auch in vielen Schulen landauf landab wird nun diskutiert, ob auch eigene drastische Opfer geboten sind. Johannes Strehler von der Schülervertretung Hessen beobachtet: «Das Thema Flugverzicht ist stark in die Köpfe eingezogen.» Man könne das aber nicht in Zahlen messen. «Seit den Freitagsdemos ist klimaneutrales Reisen auf jeden Fall ein großes Thema in den Schulgemeinschaften.» Auch Zelten in der Nähe mache vielen Spaß. «Keiner fliegt heute mehr einfach so.»
Dagegen meint Markus, ein Schüler aus dem Ruhrgebiet, bei einigen herrsche eine «Doppelmoral»: Also Demo Yes, Flugverzicht No. «Wir wollen mit unserer Truppe nach dem Abi mit dem Zug nach Belgien. Aber ich glaube grundsätzlich schon, wenn eine Mehrheit für einen Flug nach Mallorca stimmt, dass dann viele nicht Nein sagen und sich anschließen.»
Timon Nikolaou von der NRW-Landesschülervertretung berichtet: «Eine generelle Auswirkung auf das Flugverhalten sehen wir nicht. Aber mit den Freitagsdemos findet eine Politisierung statt.» Die Schüler hinterfragten ihr eigenes Konsumverhalten. «Einzelne sind konsequent und verzichten auf Flugreisen. Das könnte sich in die Richtung noch weiterentwickeln.» Der 18-Jährige findet: «Wenn man 12, 13 Jahre Schule hinter sich bringt, ist es nicht verwerflich, das zu feiern, auch wenn das eine Flugreise einschließt.»
Im Greta-Thunberg-Land Schweden kursiert schon die Wortschöpfung «Flugskam» (Flugscham), auch von einem «Greta-Effekt» mit Blick aufs Fliegen ist dort die Rede. Ob sich so ein Trend auch bei Schul-Absolventen hierzulande entwickeln werde, sei schwer abzuschätzen, es gebe keine Erhebungen dazu, sagt Fridays-for-Future-Mitorganisatorin Carla Reemtsma. Sie hat einen bundesweiten Überblick über die Freitagsdemos und spricht von einem «hohen Bewusstsein, lieber auf die Bahn umzusteigen».
Ähnlich äußert sich Theresa Kah, die bei der ARD-Talksendung «Anne Will» mit ihren pointierten Forderungen an die Politik jüngst für Aufsehen sorgte: «Ich glaube, dass sich auf jeden Fall auch viele Abiturienten bei Fernreisen hinterfragen.» Die Studentin (19) sieht Anzeichen für einen Bewusstseinswandel: «Mein Abi-Jahrgang vor zwei Jahren hätte nicht auf eine Flugreise verzichtet. Aber da verändert sich gerade was.» Kerosin solle besteuert, das Fliegen teurer und das Bahnfahren günstiger werden.
Eileen Hager vom Landesschülerausschuss Berlin berichtet aus einer Debatte des Gremiums: «Es geht für viele prioritär darum, was bezahlbar ist.» Schon der Abiball und die Klamotten seien teuer. Als Party-Abschluss seien Flugreisen weiter ziemlich gefragt, denn: «Sie sind auch billiger als Bahnfahrten. Verständlich, dass viele fliegen wollen.»
Einige Beispiele für ein Umdenken gibt es aus Baden-Württemberg: So habe eine Abschlussstufe die Tour nach Kroatien noch auf den Bus umorganisiert. In einer Realschule seien Reisen grundsätzlich für tabu erklärt worden, sofern sie per Flugzeug stattfinden sollten, berichtet Schülerbeiratssprecher Roman Jauch. Um CO2 zu sparen, gebe es Klassen und Kurse, die Wandertage in der Region wählten. Jauch betont: «Das Gremium appelliert an Schulen und Schüler, Flugreisen zu überdenken und an die Politik, Bus und Bahn attraktiver zu machen.»
(dpa)