Berlin – Zigtausend Eltern in Deutschland haben wohl leise oder auch laut geseufzt, als sie erfuhren: Die deutschen Kitas bleiben erst mal zu. Vielleicht lagen die Kleinen da schon im Bett, vielleicht turnten sie noch durchs Wohnzimmer und wollten beschäftigt werden von Müttern und Vätern, die eigentlich arbeiten müssten oder etwas Ruhe bräuchten.
Nun soll das öffentliche Leben schrittweise wieder anlaufen, Schulen und kleinere Geschäfte nach und nach wieder öffnen. Die Kitas nicht – auch wenn nun mehr Eltern als bisher ein Recht auf die sogenannte Notbetreuung für ihre Kinder bekommen. Darüber sprechen Bund und Länder am Freitag (17. April) in einer Telefonschalte.
Ausweitung der Notbetreuung
Klar wurde schon, dass nun berufstätige Alleinerziehende das Recht bekommen sollen, ihre Kinder betreuen zu lassen. Lehrer und Verkäufer stehen etwa in Sachsen-Anhalt neu auf der Liste, und manche Länder haben schon angekündigt, dass es künftig reichen soll, wenn ein Elternteil in einem sogenannten systemrelevanten Beruf arbeitet. Das sind bisher unter anderem Pflegekräfte, Ärzte oder Polizisten, die also unbedingt am Arbeitsplatz erscheinen müssen.
Der Corona-Studie der Universität Mannheim zufolge arbeitet ein gutes Viertel der Arbeitnehmer im Homeoffice – vor allem solche mit hohem Bildungsabschluss und gutem Verdienst. Mehr als die Hälfte arbeitet dagegen weiterhin vor Ort.
Wie viele Kinder aktuell notbetreut werden variiert nach Angaben des Familienministeriums zwischen den Bundesländern, aber auch zwischen Städten und ländlichen Räumen. Ende März sei man bundesweit von etwa 160.000 Kindern ausgegangen, sagt eine Sprecherin – im Vergleich zu rund 3,7 Millionen Kindern, die regulär in Kitas, Kindertagespflege und Horten betreut werden. Die Zahl werde nach den Osterferien mit den neuen Regelungen steigen.
Vor allem Mütter von Doppelbelastung betroffen?
Das heißt umgekehrt: Mehr als 3,5 Millionen Kinder waren zu Hause, und das ohne Spielplätze oder Treffen mit Nachbarskindern, jedenfalls, wenn die Familien sich an die Regeln hielten. Schwierig für Eltern – schwierig vor allem für Mütter? Darauf gibt es Hinweise. Das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hat über eine Online-Umfrage Daten erhoben. Repräsentativ sind sie nicht, das sagen die Wissenschaftler offen – aber es deuten sich Tendenzen an.
«Eltern haben im Moment zwei Jobs gleichzeitig auszuführen – ich glaube nicht, dass man das noch ein halbes Jahr lang aufrecht erhalten kann, sagt Mareike Bünning, die an der Befragung beteiligt war. Die große Sorge sei, dass es «wieder die Frauen sind, die beruflich kürzer treten». Der Umfrage zufolge arbeiten Mütter seltener als Väter weiterhin im selben Stundenumfang wie vor der Krise, sie arbeiten auch häufiger gar nicht mehr.
Angst vor Jobverlust
Und das ist nicht alles: Bei Frauen stieg die Angst vor Jobverlust etwas stärker als bei Männern. Die Zufriedenheit mit der Arbeit nahm bei Müttern stärker ab als bei Vätern – was daran liegen könne, dass sie oft die Hauptlast der Kinderbetreuung tragen müssten, vermuten die Sozialforscher. «Wir müssen davon ausgehen, dass sich das weiter verstärken wird», sagt Bünning.
Drastischer schreibt es die britische Journalistin Helen Lewis, die gerade eine Geschichte des Feminismus veröffentlicht hat, im «Atlantic»: Eine Folge des Virus werde sein, «viele Paare zurück in die 50er Jahre zu versetzen».
Dass Frauen oft weniger verdienen als ihr Mann und öfter in Teilzeit arbeiten, kann dazu führen, dass sie eher auf die Arbeit verzichten, wenn einer zurückstecken muss. Eine Folge des Coronavirus sei, «dass er viele Paare in die fünfziger Jahre zurückkatapultiert».
Kein Wunder, dass die Empfehlung der Nationalakademie Leopoldina, für jüngere Kinder bis zu den Sommerferien nur auf Notbetreuung zu setzen, bei vielen schlecht ankam. Für Spott sorgte, dass in der 26-köpfigen Professoren-Arbeitsgruppe je drei Mitglieder Jürgen und Thomas heißen – aber nur zwei Frauen dabei sind.
(dpa)