Goslar – Der 18-Jährige hat seinen Führerschein erst wenige Wochen. Er beschleunigt sein PS-starkes Auto im Überholverbot – und erfasst eine Fahrradfahrerin, die links abbiegen will. Die 55-Jährige stirbt noch an der Unfallstelle.
Tödliche Verkehrsunfälle wie dieser Mitte Januar in Dresden seien charakteristisch für Kollisionen, die von der Hochrisikogruppe junger männlicher Fahranfänger verursacht werden, sagt Siegfried Brockmann, der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV).
Weil junge Fahrer seit Jahren überdurchschnittlich häufig durch riskantes Verhalten und hohe Unfallbeteiligung auffallen, befasst sich der 58. Deutsche
Verkehrsgerichtstag (VGT) in dieser Woche (29. bis 31. Januar) mit dem Thema. Da außerdem die Quote der durch die Prüfung gefallenen Fahrschüler hoch ist, beraten die Experten in Goslar auch über mögliche Änderungen der Ausbildung.
Die Quote der Bewerber für einen Autoführerschein, die die praktische Prüfung nicht bestehen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf zuletzt 35 Prozent im Jahr 2018 gestiegen. Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts lag die Durchfallquote in der Theorie sogar bei 39 Prozent.
Eine Ursache dafür sind nach Ansicht des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) die gestiegenen Anforderungen. Auswendig Lernen für die theoretische Prüfung reiche oft nicht mehr, sagt DVR-Sprecherin Julia Fohmann. Und in der Praxis sei es durch die immer volleren Straßen und das komplexere Verkehrsgeschehen schwieriger geworden, sagt der Sprecher des Auto Clubs Europa (ACE) Sören Heinze.
«Die Ausbildung selbst ist auf einem guten Stand», meint der Unfallforscher Siegfried Brockmann. Er plädiere allerdings für «ergänzende Maßnahmen», wie etwa eine längere Probezeit. So sieht es auch eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eingerichtete Projektgruppe bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BAST). Sie empfiehlt eine generelle Verlängerung der Probezeit von zwei auf drei Jahre. Diese Probezeit könne dann durch die freiwillige Teilnahme an qualifizierenden Maßnahmen wie Begleitetes Fahren wieder verkürzt werden können.
«Eine Verlängerung der Probezeit trägt der Tatsache Rechnung, dass auch Pkw-Fahrer ab 21 bis 24 Jahren immer noch ein statistisch höheres Unfallrisiko aufweisen als erwachsene Pkw-Fahrer ab 25 Jahren», sagt Unfallforscher Brockmann. «Deshalb wäre auch eine Ausweitung der Null-Promille-Grenze auf diese Altersgruppe sinnvoll.»
Brockmann hat auch einen neuen Vorschlag, um das Unfallrisiko von Fahranfängern zu senken: «Da vor allem in der Altersgruppe der 18- bis 21-Jährigen das Anfänger- und das Jugendlichkeitsrisiko eine unheilige Allianz bilden», plädiere er für eine Leistungsbegrenzung der Kfz-Motoren für diese Gruppe auf 66 Kilowatt beziehungsweise 90 PS, sagt Brockmann. «Damit würde vor allem den jungen Männern der Kick genommen, stark zu beschleunigen oder sehr schnell zu fahren.» Wie genau das in der Praxis umgesetzt werden könnte, dazu machte er zunächst keinen Vorschlag.
Der Verkehrssicherheitsrat hält zudem sogenannte Feedback-Fahrten unter Aufsicht eines Fahrlehrers für sinnvoll. Dabei könnten die Neulinge dann zeigen, wie sie fahren, sagt Sprecherin Fohmann. «Der Experte weist sie dann auf Probleme hin. Und es gibt eine Zielvereinbarung bis zur nächsten gemeinsamen Fahrt vier bis acht Wochen danach.» Sowohl die Probezeitverlängerung als auch die Möglichkeit, diese durch die Teilnahme an Feedback-Fahrten zu verkürzen, «würde den Anreiz erhöhen, sich regelkonform zu verhalten».
Zustimmung gibt es dafür vom ADAC:
Es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, dem Anfänger die eigenen Fahrfähigkeiten objektiv widerzuspiegeln. Eine zweite Ausbildungsphase mit vorgeschriebenem Sicherheitstraining und Feedback-Fahrten befürwortet auch der Automobilclub von Deutschland (AvD). Dies schaffe zusätzliche Sicherheit bei Fahranfängern, sagt Sprecher Herbert Engelmohr. Modellversuche hätten ergeben, dass dadurch das Unfallrisiko sinke.
Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) macht sich dafür stark, dass Anfänger auch nach bestandener Fahrprüfung zusätzliche Sicherheitstrainings absolvieren müssen. Denn schwierige Situationen ließen sich in der normalen Ausbildung kaum üben, meint DAV-Verkehrsanwalt Matthias Köck. Die Teilnahme an Sicherheitsfahrtrainings könne auch dazu führen, «dass eine gewisse Selbstüberschätzung abgebaut wird», meint Köck. Bei erfolgreicher Teilnahme könne dann die Probezeit verkürzt werden.
Der Verkehrssicherheitsrat bringt zudem erneut das begleitete Fahren ab 16 ins Gespräch. «Mit einem früheren Einstieg in die Begleitphase könnten die Jugendlichen mehr Fahrerfahrung sammeln», sagt Sprecherin Fohmann. Dieser Meinung sind auch die Autoclubs AvD und ADAC. Dies führe zu einer Verlängerung des Lernzeitraums und könnte das Anfängerrisiko reduzieren, hieß es beim ADAC. Dafür sollten auf EU-Ebene die Voraussetzungen geschaffen werden.
(dpa)