Berlin – Die vergangene Urlaubssaison war ganz schön unruhig. Viele Reisende haben die Türkei, Ägypten und Tunesien gemieden. Hat der Islam damit etwas zu tun? Nein, sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig, im Interview mit dem dpa-Themendienst.
Kommt die Türkei denn zurück? Eine Prognose für das kommende Jahr will der Touristiker nicht abgeben. Besonders in einem Punkt könne das Land mehr tun, um Urlauber zu gewinnen.
Sie haben vergangenes Jahr den Urlaubern nahegelegt, muslimische Länder zu bereisen, um Vorurteile abzubauen. Heute muss man sagen: Das hat nicht geklappt, oder?
Doch, das hat geklappt. In der Türkei, die stark muslimisch geprägt ist, haben wir zwar Umsatzrückgänge von 40 Prozent. Das heißt, es sind zwar weniger Bundesbürger dorthin in den Urlaub gefahren als sonst. Trotzdem werden es mehrere Millionen Deutsche sein, die hingeflogen sind. In Ägypten liegt der Rückgang bei 50 Prozent. Die andere Hälfte ist hingefahren. In Tunesien sind die Zahlen etwas stärker eingebrochen. Aber es zeigt sich: Es haben durchaus weiterhin Menschen in diesen Ländern Urlaub gemacht.
Gibt es auch positive Beispiele?
Die Vereinigten Arabische Emirate erleben eine gute Nachfrage mit einstelligem Umsatzwachstum. Und der Oman verzeichnet ein starkes Wachstum im oberen zweistelligen Prozentbereich. Es ist das Ziel mit der prozentual stärksten Wachstumsrate aller Länder 2016. Und der Iran erfährt ebenfalls ein wachsendes Interesse vor allem für Studienreisen. Auch für andere muslimisch geprägte Reiseländer wie zum Beispiel für Indonesien oder Jordanien sehen wir keine generelle Reisezurückhaltung. Diese Beispiele zeigen, dass die Rückgänge in den erstgenannten Ländern nicht grundlegend damit zu tun haben, dass es sich um muslimisch geprägte Länder handelt.
Was sind dann die Gründe?
Häufig sind Urlaubsentscheidungen mit der Frage nach der Sicherheit des Reiseziels oder des subjektiven Sicherheitsempfindens verbunden. Manchmal sind es auch aktuelle und kurzzeitige Vorkommnisse. Marokko hat zum Beispiel unter anderem auch kurzfristig unter den Ereignissen nach der Silvesternacht in Köln gelitten. Und bei der Türkei trat die Sicherheitslage irgendwann in den Hintergrund und wurde von der politischen Diskussion abgelöst. Es gab also viele Gründe.
Vergangenen Sommer haben die Reiseveranstalter ihre Kapazitäten vom östlichen ins westliche Mittelmeer verschoben. Wird das im kommenden Sommer auch so sein?
In der Türkei findet der Urlauber ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis, das nicht überall so zu finden ist. Wenn er sich wieder sicher fühlt, wird er auch in die Türkei zurückkehren. Die Veranstalter haben ihre Türkei-Programme jedenfalls nicht reduziert, die Angebote befinden sich weiter in den Katalogen. Auf der anderen Seite haben sie sich bereits mehr Kapazitäten in Spanien gesichert. Ob es im nächsten Jahr wieder so einen Schwenk von Ost nach West geben wird, können wir aktuell noch nicht sagen.
Kann man bei der Türkei also im Prinzip nur abwarten und hoffen? Oder kann man von Deutschland aus etwas machen, um die Nachfrage wieder anzukurbeln?
Wir müssen die Gründe der Kundenzurückhaltung im Blick behalten. Was die Sicherheit angeht, gilt: Es kann überall auf der Welt etwas passieren, ob in Würzburg oder in Antalya. Für viele Kunden waren bei ihrer Urlaubsentscheidung auch politische Gründe entscheidend. Ob es in Ordnung ist, wie die türkische Regierung sich verhält, das will ich nicht beurteilen. Aber das, was über die Medien aus der Türkei berichtet wird, wirkt negativ auf den Kunden. Es ist zumindest also schlechte PR. Das müssen die Türken ernst nehmen, welche Wirkung sie mit ihrer Politik im Ausland erzeugen.
Der Terror ist die neue Realität, an die wir uns gewöhnen müssen. Ist das nicht eine sehr schwierige Situation für die Reisebüros, die ja eigentlich einen schönen Urlaub verkaufen wollen?
Ja. Wir alle müssen uns darauf einstellen, dass dieses Thema längere Zeit präsent bleiben wird. Die Reisebüros müssen ehrlich und überzeugend argumentieren. Kunden suchen dort Rat und eine Einordnung. Die Reiseberater müssen zum Beispiel immer wieder über die bessere Absicherung eines über Reiseveranstalter organisierten Urlaubs und das Krisenmanagement im Hintergrund der Veranstalter informieren. Natürlich würden sie am liebsten nur über die positiven Emotionen des Reisens sprechen. Aber die Realität sieht eben anders aus. Für viele Kunden ist das ein wichtiges Thema.
(dpa/tmn)