Tokio – Die japanischen Autobauer stellen ein gutes Viertel der Weltproduktion her. Doch in den Schlagzeilen der PS-Gazetten tauchen sie nur selten auf. Und wenn, dann eher mit Rückrufen oder Qualitätsproblemen als mit Neuheiten.
Glaubt man Experten wie dem Automobilwirtschaftler Ferdinand Dudenhöffer, sind Toyota und Co innovationsmüde und haben während des Höhenflugs des von ihnen forcierten Hybridantriebs Trends wie Elektromobilität, autonomes Fahren oder innovative Lösungen beim Carsharing zu lange ignoriert. Der Professor von der Universität Duisburg-Essen kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: «Die große Zeit der Japaner scheint zu Ende.»
Zwar mangelt es Toyota und Co nicht an Kampfgeist. Und seit die Allianz aus Renault und Nissan sich bei Mitsubishi beteiligt hat, sind die Halbjapaner sogar der größte Autohersteller der Welt. Doch wer beim Heimspiel in Tokio ein Feuerwerk an Premieren erwartet hatte, wird beim Rundgang durch die riesigen
Hallen in Big Siteenttäuscht und mag an Dudenhöffers Worten kaum zweifeln. So recht will der Funke dort nicht überspringen. Das allermeiste, was die Japaner als Neuheit bieten, hat man bei anderen Herstellern so oder so ähnlich spätestens auf der IAA vor zwei Monaten in Frankfurt schon gesehen. Selbst die früher allzu fantasievollen Studien wirken lange nicht mehr so schrill und bunt, seit auch die Hersteller aus dem Westen Robotaxen wie den Smart EQ oder den VW Sedric bauen.
Am Ende haben gerade mal drei, vielleicht vier Autos einen ernsthaften Realitätsbezug und obendrein eine Relevanz für Europa. Etwa der Toyota GR HV, eine Mischung aus Batmobil und Sportwagen. Er macht schon mal Lust auf den neuen Supra, der in Kooperation mit BMW als Cousin des nächsten Z4 entstehen soll.
Bei Honda dreht sich nach dem Urban EV nun auch noch ein elektrischer Stadtsportwagen im Rampenlicht. Und bei Mazda künden gleich zwei spektakuläre Studien von kommenden Modellen. Aus dem kompakten KAI wird dem Hersteller zufolge im nächsten Jahr der neue Dreier. Und wenn man sich das atemberaubende Vision Coupé mit etwas mehr Höhe und weniger Länge vorstellt, hat man einen Eindruck vom kommenden Mazda 6, selbst wenn der erst für 2020 auf dem Plan steht, deutet ein Sprecher an.
Die vielleicht zwei Dutzend weiteren Premieren in Big Site haben allenfalls lokale oder gar keine Bedeutung für die Serie. So gibt Toyota den Messegästen einen Ausblick auf den Nachfolger des bis heute weitgehend in Handarbeit hergestellten Flaggschiffs Century. Und auf die Mittelklasse-Limousine Crown, die als Standardtaxi der Japaner mit einem neuen, designierten Taxi-Modell ebenfalls von Toyota Konkurrenz aus den eigenen Reihen bekommt. Nissan baut zum ersten Mal einen Van mit Hybridantrieb. Und Daihatsu oder Suzuki erneuern ihre in Japan extrem erfolgreiche, im Rest der Welt aber eher unbekannte Flotte an den winzigen Kei-Cars für die Westentasche.
Es gibt hier zwar wieder jede Menge Studien. Doch sind sie abgesehen vielleicht vom Geländewagen Suzuki Survivor lange nicht mehr so verspielt wie früher, vor allem nicht so innovativ. Denn ein elektrisches Crossover-Coupé wie den Mitsubishi E-Evolution hat man mit Audi E-Tron oder Jaguar I-Pace bereits gesehen. Eine aufgebockte Coupé-Limousine mit Elektroantrieb und versenkbarem Lenkrad wie den Nissan IMx für den Übergang zum autonomen Fahren kennt man schon als VW ID Crozz. Und was Toyota unter dem Namen Fine Ride Concept als extrem komfortable Langstrecken-Limousine einer neuen Zeit preist, erinnert in Form und Technik an Autos wie den Mercedes F05.
Und dass auf jedem Stand mindestens ein nahezu serienreifes E-Auto steht, kennt man auch schon von der IAA. Immerhin bricht Toyota weiterhin eine Lanze für die Brennstoffzelle, die Strom aus Wasserstoff erzeugt und so einen Elektromotor antreibt. Denn wenn in drei Jahren Olympische Spiele in Tokio stattfinden, wollen die Japaner damit mehrere hundert Busse ohne Abgase antreiben. Aber selbst da muss der Projektleiter einräumen, dass solche Fahrzeuge etwa in Hamburg schon seit Jahren auf der Straße sind.
Die ausländischen Aussteller haben sich auf diesen Bedeutungsverlust bereits eingestellt, selbst wenn der japanische Markt mit etwas über vier Millionen Neuzulassungen im Jahr und einem Hang zu teuren Importautos für sie noch immer wichtig ist. Sie zeigen so entweder nur den zweiten Aufguss der IAA, oder bleiben einfach ganz weg.
(dpa/tmn)