Paris – Es ist eine einfache Formel, aber sie zu knacken ist bislang partout nicht gelungen: «Das Problem des Elektroautos heißt R-I-P», sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach und übersetzt das mit Reichweite, Infrastruktur und Preis.
Nur wenn Akkufahrzeuge 400 bis 500 Kilometer fahren können, wenn man sie an vielen Stellen schnell aufladen kann und wenn der Preis vergleichbar ist mit Verbrennungsmodellen, können Elektroautos erfolgreich ein, sagt der Professor.
Während die Autoindustrie an der Infrastruktur nur bedingt etwas drehen kann und sich zuletzt vor allem von den Start-ups aus dem Silicon Valley vorführen lassen musste, sind die etablierten Hersteller wenigstens bei der Produktplanung offenbar aufgewacht. Auf dem
Pariser Automobilsalonjedenfalls zeigen sie noch bis zum 16. Oktober eine Reihe von neuen Modellen, die bei den Faktoren «R» und «P» deutliche Fortschritte versprechen.
Die größte Aufmerksamkeit generiert dabei VW mit der Designstudie I.D., die zum Ende des Jahrzehnts ohne große Änderungen in Serie gehen soll. Dann soll er etwa um die 30 000 Euro kosten. Dass der 4,10 Meter lange Viersitzer mit 125 kW/170 PS und 160 km/h Spitzentempo bis zu 600 Kilometer Reichweite bieten und trotzdem nur so viel kosten soll wie ein vergleichbarer Golf, liegt an einer grundlegend neuen Architektur, sagt Christian Senger, der bei den Wolfsburgern die Entwicklung dieses Modularen Elektro-Baukastens (MEB) verantwortet. Der ist ohne Verbrenner-Option konstruiert.
Auch der Geländewagen Mercedes Generation EQ mit dem Format des GLC, der aalglatten Karosserie und dem futuristischen Grill nutzt eine sogenannte «Purpose-Build»-Architektur. Ein oder zwei Motoren mit Leistungen von zusammen bis zu 300 kW/408 PS, Reichweiten von 500 Kilometern und Preise auf dem Niveau eines entsprechenden Mercedes GLC machen den EQ zum ersten elektrischen Mercedes ohne Einschränkungen, sagten die Entwickler.
Dritter im Bunde ist der neue Massenstromer Opel Ampera-e, der nach Angaben von Opel-Chef Karl Thomas Neumann ebenfalls über 500 Kilometer weit kommt und dabei genau wie VW oder Mercedes in ihrer jeweiligen Liga ein bezahlbares Auto werden soll. Preise nennt Neumann noch nicht. «Doch der Ampera-e wird kein Luxusspielzeug und für eine Öko-Elite», stellt er in Aussicht. Und: Das Modell steht bereits ab Mai bei den Händlern.
Ganz tatenlos müssen VW und Mercedes die Hessen allerdings nicht davon surren lassen. Sie optimieren ihre aktuellen Elektro-Umbauten noch einmal. Der E-Golf bekommt laut VW-Markenchef Herbert Diess einen neuen Akku für bis zu 300 Kilometer Reichweite. Bei Daimler geht der Elektro-Antrieb für den Smart mit 160 Kilometern Aktionsradius in die nächste Runde und wird nun erstmals in drei Karosserievarianten angeboten, sagt Markenchefin Annette Winkler.
Einen Akku-Traum hingegen zeigt Elektropionier Renault: Denn selbst Designchef Laurens van den Acker macht keinen Hehl daraus, dass sich einen 257 kW/350 PS starken und über 250 km/h schnellen Strom-Sportler wie den Trezor weder Renault selbst noch die gemeinen Renault-Kunden je werden leisten können. «Aber man wird ja wohl mal träumen dürfen», rechtfertigt der Designer seinen Überflieger. Anders als die Manager bei Daimler oder VW hat er aber gut reden: Während sich die elektrischen Hoffnungsträger dort noch als Studien zeigen, sind E-Autos wie der Zoe hier bereits in der Serie und auf der Straße – und schaffen nach dem Update zum Salon mittlerweile 400 Kilometer.
(dpa/tmn)