Andernach – 42 Prozent – so weit klaffen der reale Spritverbrauch und die Herstellerangaben bei neuen Autos im Schnitt auseinander. Das hat der International Council on Clean Transportation (ICCT) festgestellt.
Für Kunden ist es ein Ärgernis, wenn der Wagen viel mehr Sprit schluckt, als er sollte. Doch wie viel ist eigentlich zu viel, und was kann der Kunde dann machen? Tipps geben der Auto Club Europa (ACE) und Rechtsanwalt Jens Dötsch aus Andernach. Er ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV).
Ab wann verbraucht ein Neuwagen zu viel?
Dazu gibt es höchstrichterliche Entscheidungen: Ab zehn Prozent Mehrverbrauch liegt ein Mangel vor. Und wenn ein Auto deutlich mehr Sprit verbraucht als vom Hersteller angegeben, kann der Kunde die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen, erklärt Dötsch. Denn der Mehrverbrauch gilt dann als wesentlicher Mangel. Die relevanten Verbrauchsdaten stehen zum Beispiel in den Prospekten. «Mittlerweile muss der Verkäufer aber auch entsprechende Angaben über den Verbrauch im Mittel und bei gewissen Abschnitten wie etwa Stadtverkehr oder außerorts machen», sagt Dötsch. «Da gibt es EU-Vorgaben.»
Wie kann ich den Mehrverbrauch messen?
Dötsch rät dazu, den Mehrverbrauch genau zu dokumentieren und entsprechende Indizien zu sammeln. Das könnten beispielsweise Fotos vom Bordcomputer mit dem Durchschnittsverbrauch oder aber Fahrtenbücher sowie entsprechende Tankquittungen sein. Wichtig ist dabei, das eigene Fahrprofil mit den Herstellerangaben für die entsprechenden Abschnitte wie Stadt, Land und Autobahn genau aufzuschreiben und zu vergleichen. «Denn der vorgebende Normverbrauch enthält ja auch die Durchmischung bestimmter Abschnitte.»
Als Tipp für eine Verbrauchsfahrt rät der ACE, vollzutanken und etwa 100 bis 200 Kilometer eine gemischte Strecke zu fahren. Die sollte ohne viel Staus oder Stop und Go laufen. «Der Großteil der gefahrenen Strecke davon möglichst sparsam und vorausschauend auf Landstraßen fahren, auf Autobahnen nicht schneller als 120 km/h», rät Anja Smetanin vom ACE. Dann den Tank wieder füllen und den tatsächlichen Verbrauch errechnen. Aber auch das sei nur ein Indiz.
Ein Protokoll könne außergerichtlich helfen, den Mangel gegenüber dem Verkäufer zu untermauern, erklärt Smetanin. «Für eine rechtlich verwertbare Messung muss nach dem gleichen Zyklus gefahren werden wie der Hersteller, als er die Angaben zum Verbrauch ermittelt hat», sagt Smetanin. Das könne in der Regel nur ein Gutachten leisten.
An wen richten sich die betroffenen Kunden?
An den Händler. Denn er ist derjenige, mit dem der Vertrag in der Regel zustande gekommen ist. «Er muss die entsprechenden Verbrauchsangaben erfüllen», sagt Dötsch. Der Hersteller kann nur dann mit ins Boot kommen, wenn das Auto direkt von ihm gekauft wurde. Neben der Rückabwicklung komme laut Smetanin auch eine Nachbesserung unter Fristsetzung infrage, wenn das technisch möglich sei.
Was tun, wenn der Händler nicht rückabwickeln will?
Wer beim Händler mit seinen gesammelten Unterlagen und Aufzeichnungen keinen Erfolg hat, könne Klage einreichen. Dötsch rät den Käufern, zuvor in Absprache mit dem Anwalt bei Gericht ein sogenanntes selbstständiges Beweisverfahren zu beantragen. Das habe den Vorteil, dass es wesentlich schneller geht. Denn ohne mündliche Verhandlung kann das Gericht einen Gutachter bestellen. Der sichert die Beweise, indem er das Auto auf einem Rollenprüfstand unter die Lupe nimmt. «Dort misst er unter den Bedingungen, die der Hersteller bei seinen Angaben zugrunde legt», so Dötsch.
Was kostet so ein Beweisverfahren?
Die Kosten sind je nach Aufwand unterschiedlich, können aber in etwa zwischen 1500 und 3000 Euro kosten, sagt Dötsch. Die sind aus eigener Tasche zu bezahlen, beziehungsweise eine etwaig vorhandene Rechtsschutzversicherung übernimmt sie. Wenn der Verkäufer dann immer noch nicht rückabwickeln will, kann der Kunde klagen. Ist die Klage erfolgreich, muss der Händler nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die des selbstständigen Beweisverfahrens zahlen.
Bekommen die Kunden bei Erfolg den vollen Kaufpreis zurück?
Nein, denn bei einer Rückabwicklung wird vom ursprünglichen Kaufpreis eine sogenannte Nutzungsentschädigung abgezogen, erklärt der Rechtsanwalt. Die Regelverjährung für so eine Rückabwicklung beträgt drei Jahre. «Maßgeblich dabei ist aber nicht das Alter des Autos, sondern der Kaufzeitpunkt.» Das gelte für Gebraucht- und Neuwagen.
Studie: Weiter große Lücke bei Werten zu Spritverbrauch von Neuwagen
Neuwagen in Europa verbrauchen einer Studie zufolge immer noch viel mehr Sprit als von den Herstellern angegeben. Demnach liegt der reale Kraftstoffverbrauch neuer Pkw im Durchschnitt um 42 Prozent höher als im Testbetrieb. Das ist das Ergebnis einer am Montag vorgestellten Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT). Bereits vor einem Jahr waren die Forscher in einer Untersuchung zu demselben Ergebnis gekommen – es hat also demnach keine Fortschritte gegeben. Umweltverbände reagierten mit scharfer Kritik an den Autoherstellern.
Der höhere Verbrauch bedeute nicht nur eine stärkere Belastung der Umwelt etwa durch mehr CO2-Ausstoß, sondern auch Mehrkosten für die Autofahrer für Sprit von rund 400 Euro pro Jahr. Noch vor zehn Jahren betrug die Differenz zwischen dem von den Herstellern veröffentlichten und dem real gemessenen Verbrauch nur etwa 15 Prozent, wurde ICCT-Europa-Geschäftsführer Peter Mock zitiert. ICCT ist eine unabhängige Forschungsorganisation, die vor zwei Jahren den VW-Diesel-Skandal in den USA mit aufgedeckt hatte.
Der Kraftstoffverbrauch von Pkw wird unter einheitlichen Bedingungen in Testlabors ermittelt. Seit September gilt für neue Fahrzeugtypen das Testverfahren WLTP, das von September 2018 an dann für alle neuen Pkw zur Pflicht wird. Die ICCT-Forscher erwarten, dass der WLTP die realen Fahrbedingungen genauer widerspiegelt. Es gebe aber auch beim neuen Ansatz «Schlupflöcher», sagte Mock. Notwendig seien Straßentests unter realen Fahrbedingungen.
Der Verkehrsexperte des Verkehrsclubs VCD, Michael Müller-Görnert, kritisierte: «Seit Jahren betrügen die Automobilhersteller ihre Kunden beim Spritverbrauch.» Um möglichst kostengünstig CO2-Ziele einhalten zu können, nutzten die Konzerne Schlupflöcher beim Testverfahren «schamlos» aus, anstatt tatsächliche Verbrauchsreduktionen zu erzielen. «Die Zeche zahlen die Autofahrer.»
(dpa/tmn)