Pyeongchang – Erstmals gehen die deutschen Bobteams bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang mit zwei konkurrierenden Herstellern an den Start. Diese Konstellation birgt Zündstoff. Das hatte René Spies schon in der Vorsaison Nerven gekostet.
«Nun ist diese Drucksituation weg, es war nicht immer einfach mit Wallner und FES, ich musste ja penibel darauf achten, dass die Tests immer sauber ablaufen», sagte der deutsche Cheftrainer, der in der Vorsaison oft zwei Großgaragen anmieten musste, damit die Wettrüster im Eiskanal abgeschirmt vom Konkurrenten arbeiten konnten. Das Innenleben eines 100 000 Euro teuren Bobs gilt als Geheimsache.
Nun sind die Würfel in der Materialfrage gefallen. Die Viererbob-Champions Francesco Friedrich und Johannes Lochner testen derzeit auf der Olympia-Bahn ihre ausgesuchten Schlitten. Sie setzen in beiden Disziplinen auf die Marke des Österreichers Johannes Wallner. Der WM-Dritte Nico Walther fährt wie Europameisterin Mariama Jamanka und Stephanie Schneider Material vom Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin. «Jetzt kann jeder sein Material testen, da wird es automatisch ruhiger», sagte Spies.
Der Bob- und Schlittenverband für Deutschland BSD finanziert nun dank öffentlicher Mittel beide Hersteller. Bei der WM im Februar hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine doppelgleisige Finanzierung noch ausgeschlossen. «Auf jeden Fall können wir nicht zwei verschiedene Bobs finanzieren», meinte er in der ARD. Allerdings betonte er: «Aber die Sportler brauchen den besten Bob, das muss der Verband entscheiden.»
Die FES-Schmiede, die exklusiv für deutsche Spitzensportler tüftelt, ist nicht begeistert. «Wir glauben, die Kosten wurden verdoppelt, das Ergebnis ist das Gleiche», meinte FES-Direktor Harald Schaale. «Wir schmälern unser Potenzial», sagte er und sieht die deutsche Mannschaft «gespalten». Zudem will er mit seinem Institut nicht «die Benchmark für einen internationalen Materialentwickler sein», der dann seine Erfahrungen auf dem Markt meistbietend verkauft.
BSD-Vorstandsvorsitzender Thomas Schwab hat sich den Vorteil der Zusammenarbeit mit dem Tiroler Wallner und Automobilbauer BMW schriftlich fixieren lassen. «Der baut natürlich auch für andere Nationen Schlitten. Wir haben halt den Vorteil, dass wir ein paar Extrafeatures im Schlitten haben, die nur auf unsere Sportler zugeschnitten sind. Und wir haben den Hannes den gesamten Winter bei uns im Team», meinte Schwab, der für Olympia dank öffentlicher Gelder je zwei neue Vierer- und Zweier-Bobs kaufte.
Zweierbob-Weltmeister Friedrich kann sich derzeit mit Lochner im baugleichen Schlitten perfekt über jede Veränderung austauschen. Walther ist dagegen als «Testpilot» auf sich gestellt. Daher liegt er im Plan zurück. «Es wird in den ersten Rennen vielleicht noch nicht ganz so gut laufen», meinte der Oberbärenburger. Die Wallner-Konkurrenz sieht er gelassen: «Die FES ist genauso da, hat im Sommer genauso gearbeitet, aber nur an einem, meinem Schlitten. Das heißt, in der Zeit, wo der Herr Wallner in der Garage stand und 24 Schlitten laminiert hat, haben wir Entwicklungsarbeit gemacht.»
Lochner hatte sich schon in der Vorsaison entschieden. «Ich bereue bei der Materialentscheidung nichts», meinte er. Im Prototypen sieht er Potenzial. Er ist Bob alt gegen neu gegeneinander gefahren. «Und ich war mit der neuen Version auf Anhieb genauso schnell, obwohl da noch keine Feineinstellungen vorgenommen wurden», erklärte er. «Jetzt können wir unsere Bobs für Olympia Stück für Stück schnell machen. Wir haben dann ein Gerät, das schneller ist als der Rest der Welt.»
(dpa)