Bordeaux (dpa) – Aus dem Geheimfavoriten dieser Fußball-Europameisterschaft ist ein Titelkandidat geworden. Voller Pathos feiert Kroatien seinen Coup gegen Titelverteidiger Spanien.
Als Gruppensieger geht der WM-Dritte von 1998 nicht nur Italien und weiteren möglichen Gegnern wie Deutschland, Frankreich und England aus dem Weg. «In diesem Team kämpft jeder für jeden. Wir werden bei diesem Turnier bis zum letzten Atem alles geben», versprach Ivan Rakitic, der Star vom FC Barcelona, nach einem spektakulären Auftritt.
«Das Wunder von Bordeaux. Kroatien spielte ein Match für die Geschichte», titelte die Zeitung «Jutarnji list» in Zagreb und sah «ein Land in Trance». «Phänomenales Kroatien», schrieb die Zeitung «Vecernji list» über den überraschenden 2:1-Erfolg.
Für die Mannschaft von Trainer Ante Cacic war es zugleich eine unerwartete Wende bei einem bis dato für sie ganz schwierigen Turnier. Noch vor wenigen Tagen standen Rakitic und Co. fassungslos auf dem Rasen von Saint-Étienne. Dort hatten wild prügelnde und randalierende Fans für eine Spielunterbrechung gegen Tschechien gesorgt. Danach verloren die Kroaten völlig den Faden und verspielten in den Schlussminuten noch den Sieg. Der Schock nach dem 2:2 wich nur langsam der Furcht, durch die UEFA von der EM ausgeschlossen zu werden. Am Ende gab es eine milde Geldstrafe. In Bordeaux atmeten dann alle auf, dass die befürchteten erneuten Ausschreitungen ausblieben.
«Wir haben genau so ein Match gebraucht», sagte Rakitic. Denn gegen die Spanier musste sein Team auch noch auf Real Madrids Spielmacher Luka Modric und auf den früheren Bayern-Stürmer Mario Mandzukic verzichten. Die beiden Angeschlagenen werden aber im Achtelfinale in Lens gegen einen Gruppendritten wohl wieder dabei sein. «Sie haben keine gravierenden Probleme, ich bin da optimistisch», sagte Cacic.
Wie ein Olympiasieger hielt Danijel Subasic nach dem Sieg mit erhobenen Armen die kroatische Fahne hoch und band sie sich dann um die Hüfte. Der Torhüter hatte sein Team im Spiel gehalten, als er einen Foulelfmeter von Spaniens Kapitän Sergio Ramos abwehrte (72.). Seine Erklärung für diese Tat: Der verletzte Modric hatte ihm einen Tipp gegeben, wohin sein Real-Kollege Ramos bei Elfmetern meistens schießt. Kapitän Srna überbrachte diesen Hinweis unmittelbar zuvor, indem er von Modric am Spielfeldrand zu Subasic im Tor lief.
Held des Abend und «Man of the Match» war aber der frühere Wolfsburger und Dortmunder Bundesliga-Profi Ivan Perisic mit seinem Siegtor in der 87. Minute. «Ich hoffe, dass dieses Turnier für uns so lange wie möglich dauern wird», sagte Perisic, bevor er in Schlips und Anzug das Stade de Bordeaux verließ. «Das war eine ganz besondere Nacht für uns.» Es sei eine Ehre und ein Vergnügen, für diese Nationalmannschaft zu spielen.
Für den Sender TV Nova ist klar: «So kraftvoll und mutig schafft es Kroatien bis zum Ende.» Zumal die Mannschaft bereits nach sieben Minuten durch einen Treffer von Alvaro Morata zurücklag, aber nie zurücksteckte. Mit einem spektakulären Hackentor glich Nikola Kalinic aus (45.). «Wir haben heute gezeigt: Es gibt kein Team, gegen das wir nicht gewinnen können», sagte der Stürmer vom AC Florenz. Auch einen Tag nach diesem Sieg betonte Kalinic im Teamquartier in der Normandie noch einmal: «Ich würde nicht sagen, dass das für uns eine Sensation ist. Wir wissen, wie viel Qualität wir haben.»
Voller Stolz saß Chefcoach Cacic in der Pressekonferenz und meinte: «Diese Mannschaft ist ein echtes Beispiel dafür, wie man seine Heimat lieben kann. Wie man das kroatische Trikot mit Stolz trägt und sein Land in der Welt repräsentiert.»
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(dpa)