«Wir haben’s verbockt»: Österreich scheitert erneut

Paris (dpa) – Bödvarsson! Traustason! Zu den vielen Mythen, Legenden und bitteren Enttäuschungen in der Geschichte des österreichischen Fußballs sind jetzt noch einmal zwei neue Namen hinzugekommen, an die man sich zwischen Wien und Bregenz noch lange mit Schaudern erinnern wird.

Mindestens das Achtelfinale, gerne auch mehr: Mit solchen Erwartungen ist ein Team voller Bundesliga-Stars zu dieser Fußball-EM geschickt und damit wohl auch überfrachtet worden. Nach dem 1:2 gegen Island geht es wieder einmal schon nach der Vorrunde nach Hause. Ohne einen Sieg und auch nur ein einziges überzeugendes Spiel.

«Wir haben’s verbockt», sagte der Mittelfeldspieler Stefan Ilsanker von RB Leipzig. «Da können wir nicht von Pech reden, damit müssen wir jetzt leben.» Und wie sich das anfühlt? «Beschissen!»

Nach einer weitgehend schlaflosen Nacht stellten sich Mannschaftskapitän Christian Fuchs und Trainer Marcel Koller am Donnerstagnachmittag nochmals den Pressevertretern im EM-Quartier in Mallemort. Bei Temperaturen von knapp 35 Grad blickte Fuchs müde vom Podium herunter, als er forderte: «Man darf nicht alles negativ sehen. Wir müssen das aufarbeiten, aber möglichst schnell auch abhaken und in der WM-Qualifikation wieder angreifen.»

Die Versuchung ist groß, dieses Scheitern in jene breite Schublade einzusortieren, in der schon die vielen anderen Dramen des österreichischen Fußballs stecken. Die Geschichte von der Heim-EM 2008 etwa, als das «Team Austria» selbst als Gastgeber kein einziges Spiel gewann. Oder von der WM 1990, als es nicht einmal mit großen Namen wie Toni Polster oder Andreas Herzog zum Weiterkommen reichte.

Alles Geschichten, die von der ewigen Selbstüberschätzung oder enttäuschten Hoffnungen erzählen – und die alten Reflexe funktionieren ja noch immer. Von den «EM-Versagern» schrieb die «Kronen»-Zeitung gleich nach dem Abpfiff am Mittwochabend. Trainer Marcel Koller wurde noch im Stade de France gefragt, ob er dieses Ausscheiden auch als «persönliches Scheitern» empfinde.

Neu ist, wie sachlich alle Protagonisten mit diesem K.o. umgehen. In der großen Enttäuschung zeigte der österreichische Fußball jene Größe, die man ihm so gern abspricht. «Nein», sagte Koller, «persönlich denke ich nicht, dass das ein Scheitern ist. Für meine Spieler und auch für mich war das eine Erfahrung.»

Mit einem Tag Abstand analysierte er: «Wenn man drei Spiele hat und nur eine Halbzeit so spielt, wie man spielen kann, reicht das einfach nicht. Es haben sich viele Kleinigkeiten summiert, auch mentale Dinge. Vielleicht war die Erwartungshaltung auch zu hoch.»

Verbandspräsident Leo Windtner beendete die Trainerdiskussion sogleich, bevor sie überhaupt richtig begann. «Natürlich haben wir unser Ziel nicht erreicht», sagte er. «Aber es gibt keine Zweifel, der Kurs mit Marcel Koller und seinem gesamten Betreuerstab steht fest. Die WM-Qualifikation wollen wir wieder schaffen.»

Bleibt die große Frage nach dem «Warum». Warum ein talentiertes Team mit Spielern von Bayern München oder Leicester City auf einmal schlechter spielt als Ungarn oder Island? Oder warum gerade der beste von ihnen (David Alaba) bei dieser EM so außer Form war? Glaubt man den Spielern, hatte das nichts mit Selbstüberschätzung zu tun. Sondern eher mit einer Reihe einzelner Faktoren, die in ihrem Zusammenspiel eine fatale Eigendynamik entwickelten.

Der große Ernst Happel hat früher gesagt: «Ist sowieso alles für Arsch und Friedrich.» Man könnte nun mit dem Satz des berühmtesten österreichischen Trainers die ganze Geschichte des österreichischen Fußballs überschreiben.

Man kann es aber auch so sehen wie David Alaba, der darauf verwies: Er selbst wird am Freitag erst 24. Alessandro Schöpf von Schalke 04, dem zwischen den Gegentoren von Jon Dadi Bödvarsson (18.) und Arnor Traustason (90.+4) das 1:1 (60.) gelang, sogar erst 22. Also sagte Alaba: «Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Das war nur ein Kapitel. Jetzt wollen wir gleich das nächste aufschlagen.»

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(dpa)