Wieder im Weltmeister-Modus: «Wunderschöne Geschichte»

Stuttgart – Den Spielball dieses speziellen Fußballabends klemmte sich der Chef persönlich unter den Arm und nahm ihn einfach mit nach Hause. «Den brauche ich mal wieder für den Hobbykick», sagte Joachim Löw, lächelte und verließ mit dem Souvenir die Stuttgarter Arena.

Zwar hat der Bundestrainer in seiner inzwischen elfjährigen Amtszeit mit dem Nationalteam schon viel wichtigere und auch höhere Siege gefeiert. Doch dieses 6:0 (4:0) gegen Norwegen und die Jubelgesänge für den lange geschmähten Timo Werner werden bei Löw und den deutschen Fans als besonderes Erlebnis in den Köpfen bleiben.

«Es war eine wunderschöne Geschichte», sagte der Weltmeistercoach mit großer Zufriedenheit. Der 57-jährige Löw kann nun bis zum 5. Oktober entspannt seine WM-Planungen vorantreiben. An dem Tag tritt der Weltmeister in der vorletzten Qualifikationspartie beim Tabellenzweiten Nordirland (19) an. Dann kann im direkten Duell schon mit einem Unentschieden endgültig der Gruppensieg und das einzige Direktticket zur WM 2018 in Russland perfekt gemacht werden.

«Wir hatten es uns auf die Fahne geschrieben, das Publikum mitzunehmen und ihm Spaß zu machen. Es hat unglaublich viel Spaß gemacht, fußballerisch und atmosphärisch. 6:0 ist auch ein fantastisches Ergebnis», sagte Abwehrchef Mats Hummels. Mit dem dritthöchsten Sieg in der laufenden WM-Ausscheidung nach einem 8:0 und einem 7:0 jeweils gegen den Fußballzwerg San Marino festigte der Weltmeister nicht nur die Tabellenführung in Staffel C (24 Punkte).

«Es war eine sehr schöne Reaktion auf das Ganze am Freitag. Es haben sich Zehntausende dagegen gestellt, was ein paar Idioten in Prag von sich gegeben haben», erklärte Hummels. 53 840 Zuschauer setzten nach den schockierenden Vorkommnissen auf der Tribüne gegen die Tschechen (2:1) ein deutliches Zeichen. «Es hat Riesenspaß gemacht zuzuschauen», sagte Löw. In Prag hatten am Freitag 200 Pöbel-Fans mit Nazi-Parolen und verbalen Entgleisungen Empörung ausgelöst.

«Das war eine friedliche, fröhliche, sehr stimmungsvolle Atmosphäre. Ein Fußballabend, wie man sich ihn wünscht», sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. «Unser Hauptziel war, die Zuschauer zu begeistern», bemerkte Thomas Müller. Und der ehemalige Stuttgarter Sami Khedira, der nach seiner Kniereizung an alter Wirkungsstätte erst spät auf das Feld durfte, ergänzte: «Ich glaube, das sollte Normalität sein.»

Der Weltmeister trug mit viel Lust, starken Kombinationen und einem herausragenden Timo Werner zu der perfekten Party bei. «Wir haben in der ersten Halbzeit brillant kombiniert und sehr viele Möglichkeiten herausgespielt», sagte der Bundestrainer. Mesut Özil, Julian Draxler, zweimal Werner sowie die eingewechselten Leon Goretzka und Mario Gomez erzielten die Tore. «Ich freue mich natürlich über meine zwei Tore und darüber, dass ich so herzlich aufgenommen wurde wie früher, als ich ins Stadion kam», sagte der Ex-Stuttgarter Werner.

Mit sechs Treffern in acht Länderspielen ist der 21 Jahre junge Angreifer im Sprint – seinem Markenzeichen – praktisch schon zum Stürmer Nummer eins aufgestiegen. «Er wird die nächsten zehn Jahre in Deutschland im Sturm dominieren», sagte Routinier und Konkurrent Mario Gomez (32) und schloss an: «Wahrscheinlich auch in Europa, wenn er einfach so weiter macht wie bisher.» Auch Löw schwärmte: «Er macht das, was dem Gegner extrem weh tut, was extrem schwer zu verteidigen ist. Er hat einen brutalen Zug zum Tor und Schnelligkeit.»

Der Mann des Spiels genoss nach vielen Monaten, in denen er als Stürmer des vielerorts ungeliebten Leipziger Clubs RasenBallsport beleidigt und verhöhnt wurde, die positive Aufmerksamkeit. «Ich hatte keine Erwartungen, ob ich ausgepfiffen oder gefeiert werde. Dass es sich so entwickelt hat, ist umso schöner», sagte Werner und blieb zurückhaltend: «Als Stürmer Nummer eins würde ich mich noch nicht bezeichnen. Ich habe ein paar gute Spiele gemacht.»

Zum glanzvollen Auftritt gegen völlig überforderte Norweger hatte auch Löws Rückkehr zum bewährten 4-3-2-1-System beigetragen, auch wenn sich der Chef vehement wehrte: «Um Gottes willen, nein. Beim Confed Cup haben wir mit einer jungen Mannschaft ein 3-5-2-System gespielt und gewonnen. Es ist ohne jede Diskussion wichtig, dass man zwei unterschiedliche Systeme spielen kann, einen Plan A und einen Plan B hat.» Der Münchner Hummels aber sagte: «Wir haben uns in der Ausrichtung sehr gut gefühlt. Wir hatten eine sehr gute Absicherung.»

Sebastian Rudy brachte als zweiter «Sechser» im zentralen Mittelfeld neben Toni Kroos Ordnung ins Spiel. Der Neu-Bayer darf sich neben Angreifer Werner als besonderer Sieger fühlen. «Wir haben uns als Deutschland von der besten Seite gezeigt», sagte der ebenfalls bärenstarke Confed-Cup-Kapitän Draxler und schloss mit diesem Fazit den speziellen Stuttgarter Fußballabend ab.


(dpa)

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