Berlin – Russland nimmt es mit den versprochenen Reformen zur Bewältigung seiner üblen Doping-Vergangenheit offenbar nicht ernst. So soll ein doping-belasteter Trainer trotz seiner Suspendierung weiter aktiv mit Leichtathleten zusammenarbeiten.
Dies hat Whistleblower Andrej Dmitrijew in einem Interview der ARD-Dopingredaktion enthüllt. «Er tut, was er immer getan hat. Er trainiert weiter. So einfach ist das», sagte der Augenzeuge, der von den ARD-Reportern aus Sicherheitsgründen im kasachischen Almaty befragt wurde.
Dmitrijew filmte in Russland mit versteckter Kamera; auf einem Video vom 12. Januar dieses Jahres taucht dabei Wladimir Kasarin auf. In einer Sporthalle in Tscheljabinsk ist der erfolgreiche Coach beim Training mit einem 400-Meter-Spitzensprinter zu sehen. Kasarin – einer der erfolgreichsten 800-Meter-Trainer der Welt – ist wegen seiner Dopingpraktiken international gesperrt. Und der Trainer ist aus Sicht von Dmitrijew nicht einmal «der dickste Fisch».
«Ich sehe ja, dass die Trainer, die ganz sicher mit Doping gearbeitet haben, immer noch da sind. Die arbeiten weiter», sagte Dmitrijew, selbst Leichtathlet und ein guter Mittelstreckenläufer. «Und die Sportler, von denen ich weiß, dass sie gedopt haben, die trainieren weiter mit ihnen.» Der Whistleblower behauptet: «Es dopen vielleicht 70, 80 Prozent, und der Rest ist sauber.» Auch im Nationalteam gebe es saubere Athleten, «doch die haben Angst, den Mund aufzumachen».
Viel getan habe sich in Russland nicht, obwohl das Land nach diversen Enthüllungen – vor allem in den zwei Berichten der McLaren-Kommission der WADA – besonders scharf beobachtet wird. Vom Leichtathletik-Weltverband IAAF sind die Russen suspendiert.
«Wenn man behauptet, dass wir uns ändern, dann aber diese Leute einfach weitermachen – das ist doch Heuchelei, das sind Lügen», betonte Whistleblower Dmitrijew. «Da wird ein Wandel vorgetäuscht, den es gar nicht gibt.» Der russische Verband schwieg auf Nachfrage der ARD-Dopingredaktion.
Damit müssen die russischen Leichtathleten, die von Olympia 2016 in Rio fast komplett verbannt waren, wohl auch um ihren Start bei der WM im August in London bangen. «Wenn auf den Videobildern wirklich dieser gesperrte Trainer zu sehen ist, hat RUSAF (der russische Leichtathletik-Verband) die dem Verband auferlegten Kriterien für die Wiederzulassung nicht eingehalten», sagte IAAF-Generaldirektor Olivier Gers der ARD. «Dies wäre aber notwendig gewesen, um die Suspendierung des russischen Verbandes aufzuheben.»
(dpa)