Gwangju – Florian Wellbrock steckte längst mittendrin in seinem Kampf um die WM-Form, als die Konkurrenz um die Medaillen schwamm. Schon wenige Stunden nach dem ernüchternden Vorlauf-Aus hatte der gefrustete Freiwasser-Weltmeister in Gwangju den Countdown fürs Comeback gestartet.
Beim Training tauschte sich der 21-Jährige länger mit Teamchef Bernd Berkahn aus – und sprang dann mit denn Füßen voran in das Becken, in dem er über 800 Meter Freistil mehr als zehn Sekunden von seiner Bestzeit und gut fünf vom Finale entfernt war. Über die 1500 Meter zum Weltmeisterschaftsabschluss soll alles besser werden.
«Wir müssen sehen, dass wir ihn auf die Beine kriegen», sagte Berkhahn. «Wir können nur mutmaßen, Hilfe bereitstellen und schauen, dass wir ihn wieder hinbekommen.» Außer auf das Gespräch mit dem Athleten setzt Berkhahn auf Feedback von Trainingswissenschaftler, Sportpsychologin und Trainer-Routinier Norbert Warnatzsch. Warnatzsch, früherer Erfolgscoach von Britta Steffen und Franziska van Almsick, unterstützt Berkhahn in Magdeburg. Erfahrung bringt der 72-Jährige zur Genüge mit.
Wellbrock hat mit seinen erst 21 Jahren als Olympia-Teilnehmer auch schon Erfahrung. In Rio scheiterte er als Letzter seines Vorlaufs über 1500 Meter Freistil, im Scheinwerferlicht vor der Weltöffentlichkeit blieb er eine knappe halbe Minute über seiner damaligen Bestzeit. Heute ist die Situation eine andere für den sonst so coolen Magdeburger. Offenbar tut er sich mit der riesengroßen Erwartungshaltung – erst recht nach WM-Gold über zehn Kilometer – schwerer als erwartet.
«Für ihn ist es eine komplett neue Rolle, da wurden Sachen geschrieben und gemutmaßt und Hoffnungen geäußert. Hier ist der Hoffnungsträger, da ist der Hoffnungsträger und er rettet das deutsche Schwimmen. Da muss ein junger Mann erstmal mit klarkommen», sagte Berkhahn. «Und jetzt stehen da alle und warten drauf, dass er die Medaillen gewinnt und den deutschen Schwimmsport rettet.» Die Botschaft dahinter: Der Retter braucht selber Hilfe.
Freundin und Silbermedaillengewinnerin Sarah Köhler wollte verständlicherweise «zu Flo keine Fragen beantworten». Einen Mutmacher schickte der Olympia-Sechste Philip Heintz Richtung des geknickten Teamkollegen. «Da kann ich selber sagen: Das passiert manchmal und ich denke, dass die das bis zu den 1500 Metern wieder in den Griff kriegen», sagte der 28-Jährige.
Viel Zeit bleibt nicht, am Samstag stehen die Vorläufe der WM in Südkorea an. «Ein Leistungssportler ist ein empfindliches Gebilde. Wenn dann da Einflüsse kommen, die nicht positiv sind, kann das schnell zusammenbrechen», beschrieb es Berkhahn schon am Dienstag.
Wellbrock kann die erste deutsche Freistilmedaille eines Beckenschwimmers seit Paul Biedermann (2015) gewinnen. Der nicht mehr aktive Weltrekordler lieferte selbst ein sehr gutes Beispiel, wie man nach einem Fehlstart die Wende schaffen kann. Bei der Heim-EM 2014 scheiterte er über 400 Meter Freistil – wenngleich knapp – im Vorlauf. Mit Silber über 200 Meter und Gold mit der Staffel glückte ihm dann doch das Happy End.
(dpa)