Zürich – Im verschneiten Zürich steht der Welt-Fußball vor einer möglicherweise fundamentalen Entscheidung. Das FIFA-Council berät am Dienstag über die viel diskutierte Aufstockung der WM-Teilnehmerzahl auf 40 oder 48 Mannschaften von 2026 an.
Ob der Plan von Weltverbandschef Gianni Infantino schon beschlossen wird, ist noch offen. Die Interessenkonflikte zwischen den kontinentalen Verbänden sind groß. Das alte Fußball-Europa will seine Pfründe sichern. Der deutsche Fußball hat eine klare Haltung, sitzt aber nicht am Verhandlungstisch.
Wieso soll es überhaupt mehr WM-Teilnehmer geben?
Die Idee mit einer 40er-WM stammt vom einstigen UEFA-Präsidenten Michel Platini. Sein Funktionärs-Ziehsohn Gianni Infantino punktete damit erfolgreich in seinem Wahlkampf für den Posten als FIFA-Chef gerade in Afrika und Asien. Nach wenigen Monaten im Amt überraschte der Schweizer dann mit diversen neuen Varianten, um sogar 48 Teams die Teilnahme zu ermöglichen. Seine Begründung: Die WM-Begeisterung in vielen Ländern entfachen. Unstrittig ist, dass der nach den Skandalen klamme Weltverband seine Einnahmen mit einem Mammutturnier im Vergleich zur aktuellen Variante mit 32 Mannschaften steigern würde – laut einem internen FIFA-Papier angeblich um rund eine Milliarde Dollar.
Welche Vorschläge gibt es?
Derzeit liegen vier Varianten auf dem Tisch, zwei für eine WM mit 40, zwei mit 48 Teams. 40 Mannschaften würden auf acht Gruppen mit je fünf Teams oder zehn Gruppen mit je vier Teams aufgeteilt werden. Bei acht Gruppen kämen die Ersten und Zweiten weiter, bei zehn Gruppen die Sieger und sechs besten Zweiten. In beiden Fällen würde es deutlich mehr WM-Spiele geben, möglicherweise bis zu 96 insgesamt.
Bei 48 Teams käme es entweder zu einer Playoffrunde von 32 Mannschaften, wobei die Sieger zu 16 gesetzten Teams stoßen würden, gefolgt vom bisher üblichen Modus mit acht Gruppen á vier Teams. Infantinos jüngste Idee sind 16 Gruppen mit je drei Teams von denen Gruppensieger und Gruppenzweite in die K.o.-Phase kämen. Um Mauscheleien in den kleinen Gruppen zu erschweren, soll es in dieser Variante bei Gleichstand Elfmeterschießen geben.
Was spricht gegen eine größere WM?
Egal, welche Variante die FIFA auch wählt, die WM wird komplizierter und sportlich ungerechter. Bei Gruppen mit fünf Teams wären Mauscheleien einfach, mehrere Teams zudem früh ohne Chance auf ein Weiterkommen. Wie nervig ein System mit besten Gruppenzweiten ist, mussten die Fans gerade bei der EM 2016 erfahren.
Bei 16 Dreiergruppen würden auch Absprachen im letzten Spiel drohen, mit und ohne Elfmeterschießen. Sportlich am gerechtesten wäre die Playoff-Variante, aber dann müssten 16 Teams nach nur einem Spiel wieder nach Hause, TV-Verträge wären weniger lukrativ und die gesamte Turnierlogistik schwierig.
Fundamentalkritik kommt aus dem europäischen Profifußball, angeführt von Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge als Chef der European Club Association. Die reichen Europäer sehen eine Überbelastung der von ihnen teuer bezahlten Superstars. Die europäischen Ligen stellen die mit Abstand meisten WM-Spieler.
Warum sind ausgerechnet die Deutschen gegen die Erweiterung?
Der vierfache Weltmeister Deutschland ist noch nie in der WM-Qualifikation gescheitert. Deshalb sei es leicht, gegen die Erweiterung zu wettern, meinte Infantino, als Joachim Löw seine kritische Haltung publik machte. Der Bundestrainer, der den höchsten sportlichen Wettkampf propagiert, fürchtet eine «Verwässerung» der Fußball-Qualität. Die nervte Löw schon bei der 24er-EM vergangenen Sommer.
Wer entscheidet über die WM-Erweiterung?
Eigentlich sollte das FIFA-Council als Nachfolger des skandalumtosten Exekutivkomitees weniger operative Macht haben. Doch auch nach den neuen Regularien kann das Gremium mit seinen derzeit 33 Mitgliedern aus allen sechs Konföderationen das WM-Format bestimmen. Der deutsche Fußball sitzt dabei nicht mit am Tisch. Der Platz von Wolfgang Niersbach ist nach dessen Sperre und Rücktritt noch nicht besetzt. Das wird sich erst im Mai ändern, wenn DFB-Chef Reinhard Grindel in das Gremium einziehen soll.
Wird es am Dienstag auf jeden Fall eine Entscheidung geben?
Der Ausgang der Sitzung ist weiter offen. Möglich ist auch, dass eine Entscheidung nochmals vertagt wird. Gerade die Europäer drängen auf mehr Zeit, möglicherweise rund um den FIFA-Kongress im Mai in Bahrain. Hinter den Kulissen tobt längst ein anderen Kampf: Nämlich die Verteilung der Startplätze pro Kontinentalverband. Afrika, Asien und Nord-/Mittelamerika sind noch deutlich unterrepräsentiert. Europa und Südamerika wollen ihre Vormachtstellung nicht herschenken. Sicher ist nur: Das neue Format würde erst 2026 angewendet. 2018 und 2022 findet die WM noch mit 32 Teams statt.
(dpa)