Madrid/Paris – Weltmeister Toni Kroos spricht aus, was Millionen Fußball-Fans dieser Tage nicht nur in Europa, sondern weltweit denken.
«Ich freue mich sehr auf diese Spiele», sagte der deutsche Mittelfeldregisseur von Real Madrid wenige Stunden vor dem ersten Champions-League-Achtelfinal-Schlager am Mittwoch (20.45 Uhr) gegen Paris Saint-Germain – und gegen seine Nationalmannschaftskollegen Julian Draxler und Kevin Trapp.
Doch nicht alle können sich vor dem Hinspiel richtig ausgelassen freuen. Für die Trainer der beiden Teams, den Franzosen Zinedine Zidane und den spanischen PSG-Coach Unai Emery steht beim Duell der fürstlich entlohnte Job auf dem Spiel.
«Meine Zukunft ist mir völlig egal, ich denke jetzt nur an die beiden Spiele gegen Paris», beteuerte Zidane vor Journalisten. Er und seine Schützlinge spürten «keinen besonderen Druck». Er persönlich müsse «nichts mehr beweisen». Fast alle spanischen Medienbeobachter sind indes davon überzeugt, dass «Zizou» bei einem Aus gegen PSG auch nach zwei Königsklassen-Triumphen in Serie wird gehen müssen.
Eine Saison ohne wichtige Titel wird bei Real, das in der Primera División keine realistischen Chancen auf die Titelverteidigung mehr hat und im Pokal nicht mehr dabei ist, kaum verziehen. Das weiß auch Zidane: «Ja, das ist klar, superklar», hatte der 45-Jährige nach dem Pokal-Aus Ende Januar gegen Außenseiter Leganés die Frage beantwortet, ob es nun für ihn in der Champions-League-um Alles oder Nichts gehe. Clubboss Florentino Pérez hat einen derzeit allerdings aussichtlosen Nachfolger-Wunsch: DFB-Coach Jogi Löw.
Anders als Zidane wird Emery diese Saison mit Sicherheit wichtige Erfolge erringen: Den Ligue-1-Titel hat man bei zwölf Punkten Vorsprung auf Verfolger AS Monaco praktisch in der Tasche. Für die Ölscheichs aus Katar, die an der Seine seit 2011 das Sagen haben, zählt aber nur der langersehnte Gewinn der Champions-League.
Für den Coach, der vor seinem Wechsel nach Paris im Sommer 2016 den FC Sevilla drei Mal in Folge zum Gewinn de Europa League führte, stehe deshalb gegen Madrid «die Zukunft auf dem Spiel», meint diese Woche in Frankreich nicht nur der Radiosender «RMC».
Der Vertrag des 46-Jährigen läuft im Juni aus, aber auch spanische Medien schreiben, bei einem Ausscheiden gegen den Club aus seinem spanischen Heimatland würde Emery wohl sofort vor die Tür gesetzt werden. Die gut informierte Renommierzeitung «El País» schrieb am Montag, PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi habe bereits den Ex-Barcelona-Trainer Luis Enrique und auch Brasiliens Nationalcoach Tite sondiert.
Der Katarer habe nach bald einem Jahr die Achtelfinale-Blamage vom März 2017 immer noch nicht verdaut, hieß es. Damals verpasste PSG gegen Barcelona auch nach einem 4:0-Sieg im Hinspiel den Einzug ins Viertelfinale. 1:6 ging man im Camp Nou unter.
Damals spielte ein gewisser da Silva Santos für Barça. Der Brasilianer, in der Fußballwelt als Neymar Júnior bekannt, kickt inzwischen für PSG. «L’Équipe» bezeichnete am Dienstag das Duell des 26-Jährigen gegen Madrids Weltfußballer Cristiano Ronaldo (33) als «Zusammenstoß der Giganten». Die französische Fachzeitung spricht auch von «einem Sessel für Gott».
Man darf sich fragen: Wird der langsam alternde Portugiese vom Thron als weltbester Stürmer gestürzt, sofern man Lionel Messi als Mittelfeldspieler betrachtet? Und erfolgt auch die Wachablösung von CL-Doppelsieger Real Madrid?
Neymar ist jedenfalls in Topform. Der Mann aus Santos traf diese Saison bereits 28 Mal, dazu kommen 16 Torvorlagen. Zahlen, an die ihn sogar auch sein Ex-Clubkamerad Messi (27-14) beneidet. «Es gibt kein Rezept, um Neymar zu stoppen», sagte der im Hinspiel gesperrte Ex-Leverkusener Dani Carvajal. Die undankbare Aufgabe der Deckung des Brasilianers muss er am Mittwoch Nacho überlassen.
In der Liga haben Ronaldo und die Königlichen enttäuscht. 17 Zähler liegt man hinter Erzrivale Barcelona zurück. Platz vier ist für das Millionärsensemble peinlich. «CR7» traf zwar in der Champions League häufiger, in der Liga kaum. Am vergangenen Wochenende gelang dem Superstar beim 5:2 gegen San Sebastián endlich der erste Dreierpack der Saison. Die Real-Fans hoffen deshalb auf die rechtzeitige «Leistungs-Wende».
Dass es für den Titelverteidiger schon im Estadio Santiago Bernabéu nicht einfach sein wird, das wissen die «Merengues». Auch wenn man in der Champions League daheim vor knapp drei Jahren das letzte Mal verlor: Im März 2015 mit 3:4 gegen Schalke 04. «Es wird natürlich hart», sagt Kroos. Der Gegner hat mit Neymar, Edison Cavani und Frankreich-Jungstar Kyliam Mbappé schnelle und gefährliche Stürmer. «Aber wir müssen uns auf unser Spiel konzentrieren.»
Kroos äußert sich wie immer eher zurückhaltend. Seine Teamkollegen gehen anders vor. Kapitän Sergio Ramos rief die Fans auf Twitter zur Unterstützung auf und versprach: «Gemeinsam werden wir das Mögliche und das Unmögliche schaffen!» Tormann Keylor Navas wurde auf der Club-Homepage mit den Worten zitiert: «Für unsere Fans und für den Wappen lassen wie die Seele auf dem Platz.» «Wir werden weiter Geschichte schreiben», tönte Casemiro.
Während sich Neymar – wie die meisten Paris-Profis übrigens – in Schweigen hüllt, sich lässig und unbekümmert präsentiert und von Starfotograf Mario Testino diese Woche sogar nur mit einem Handtuch bedeckt porträtieren ließ, stand auch Ronaldo Rede und Antwort. Man respektiere Paris als starken Gegner. Aber Richtung Neymar & Co. sagte er auch: «Wir haben bereits bewiesen, dass wir eine sehr sehr starke Gruppe beisammen haben. In der Champions League haben wir zudem viel Erfahrung.»
(dpa)