Vom Karnevalsverein zum Transferclub: Mainz macht sich

Mainz – Auf eine feuchtfröhliche Nicht-Abstiegs-Party kurz vor Saisonschluss werden sie beim FSV Mainz 05 in diesem Jahr wohl verzichten müssen. 

In echten Kellerkrimis hatten die Rheinhessen in den vergangenen beiden Spielzeiten erst am 33. Spieltag den Verbleib perfekt gemacht, es flossen reichlich Freudentränen und – natürlich – Bier. Die großen Emotionen sind für die 05er in diesem Mai trotzdem nicht ausgeschlossen, denn unter der Führung von Trainer Sandro Schwarz und Sport-Vorstand Rouven Schröder hat sich der einstige «Karnevalsclub» zu einem Europa-Kandidaten entwickelt und liegt nach 19 Spielen gerade einmal einen Punkt hinter Rang sechs.

«Schön, dass wir über den Europapokal sprechen. Aber seit dem ersten Trainingslager im Sommer geht es bei uns darum, den nächsten Schritt zu machen und die Entwicklung voranzubringen», sagte Coach Schwarz, der in Mainz Turbulenzen überstanden und sich in seinem zweiten Jahr ein stärkeres Profil erarbeitet hat. Mit Kontinuität, Realismus und Weitsicht haben die Verantwortlichen etwas aufgebaut, wovon andere  Traditionsclubs wie Nürnberg oder Düsseldorf nur träumen können: Die feste Zugehörigkeit in der Bundesliga und das schon im zehnten Jahr.

Der bodenständige Schwarz steht dabei in einer Reihe mit Jürgen Klopp und Thomas Tuchel. Zwar wird der etwas unscheinbare 40-Jährige wohl nie den FC Liverpool oder Paris Saint-Germain trainieren, seine beständige und auf Langfristigkeit angelegte Arbeit erinnert aber stark an seine beiden Vorgänger, die es über den Bruchweg in die ganz großen Fußball-Tempel des Kontinents schafften.

«Ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, dass er das nicht packt. Die Spieler sind ihm auch in der schwierigen Phase bedingungslos gefolgt», sagte Schröder einmal dem «Kicker» über seinen Trainer, an dem er auch im nervenaufreibenden Abstiegskampf festhielt. An Schwarz schätzt er, dass dieser sich nach dem Sprung in die Bundesliga nicht verändert hat. «Sandro ist Sandro geblieben», sagte Schröder.

Dass es diese Saison so gut klappt und die direkten Abstiegsränge schon 17 Punkte entfernt sind, das liegt auch viel an Schröder und seiner Kaderplanung. Die Neuverpflichtungen Jean-Philippe Mateta,  Pierre Kunde, Moussa Niakhaté, Jean-Paul Boetius und Aaron Martin klangen zunächst nicht besonders namhaft, doch die Importe aus Frankreich und Spanien sind für vergleichsweise kleines Geld (drei bis acht Millionen Euro) alle zu Leistungsträgern geworden.

Mainz ist natürlich immer noch der Karnevalsverein. Am Dienstag gab es die erste eigene Fastnachtssitzung. Man entwickelt sich aber auch immer mehr zum Vorzeige-Transferclub der Liga. Für Abdou Diallo (Dortmund), Yoshinori Muto (Newcastle) und Suat Serdar (Schalke) kassierten die Mainzer im Sommer insgesamt 50 Millionen Euro.

Ein «Mond-Angebot» aus England für Jean-Philippe Gbamin hatte Schröder sogar noch abgelehnt, es dürfte bestimmt nicht das Letzte gewesen sein. Die Mainzer Gleichung für das laufende Bundesliga-Jahr lautet daher: Mehr Einnahmen als Ausgaben für ein deutlich verbessertes Team. Unter diesen Gegebenheiten wäre Europa für die 05er das absolute Sahnehäubchen.


(dpa)

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