Vegan und Leistungssportler – passt das zusammen?

Berlin – Ein wenig Brot mit Avocado-Creme, etwas Tomatenaufstrich, dazu Müsli mit Mandelmilch – etwa so sieht die erste Mahlzeit aus, die Christopher Lenz an einem normalen Trainingstag zu sich nimmt.

Der Fußball-Profi des 1. FC Union Berlin ist seit kurzem Veganer – das heißt, er verzichtet komplett auf tierische Produkte wie Ei, Käse oder Wurst. «Das erste Mal kam ich damit in Berührung, als ich mich verletzt habe und operiert wurde. Ein damaliger Teamkollege hat mir davon erzählt, dass ich so die Entzündungen im Körper minimieren kann», erklärt der 25-Jährige seine Motive für die Umstellung. Nachdem die Verletzung auskuriert war, blieb er dabei und isst nun seit zwei Monaten vegan. «Weil ich perfekt vorbereitet und fit für die Bundesliga und mein eigenes Spiel sein möchte. Eventuell kann ich so noch ein paar Prozente extra herausholen.»

Lenz ist mit seiner veganen Ernährung im Leistungssport längst kein Exot mehr. Andere namhafte Sportler verzichten zumindest regelmäßig längere Zeit auf tierische Produkte. Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, Football-Legende Tom Brady oder die beiden Tennis-Schwestern Serena und Venus Williams sind nur eine kleine Auswahl einer Schar internationaler Topstars, die auf Veganismus setzen.

Auch im Fußball folgen viele Spieler dem Trend. Der argentinische Superstar Lionel Messi, Bayern-Spieler Serge Gnabry, Manchester Citys Rekordtorschütze Sergio Agüero und der deutsche Nationalspieler Luca Waldschmidt sind nur die prominentesten Beispiele für eine zumindest zeitweise vegane Ernährung. Ihre Beweggründe reichen vom ethischen Bewusstsein, Intoleranzen bis hin zur sportlichen Selbstoptimierung.

Der Leiter der Abteilung Sporternährung am Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule, Hans Braun, hat gegenüber einer langfristigen, komplett veganen Ernährung aber seine Bedenken: «Im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit würde ich einem Sportler eine vegane Ernährung nicht zwingend empfehlen», sagt der studierte Ernährungswissenschaftler. «Das Wichtigste ist, dass der Sportler seinen Nährstoffbedarf abdeckt, und der besteht nun mal aus einem Nährstoff-Mix.» Bei einer rein pflanzlichen Ernährung sei eine ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen nur schwer möglich.

Dabei ist die Eiweißzufuhr – anders als oft vermutet – gar nicht das vordergründige Problem. «Proteine können über Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen zugeführt werden.» Vorwiegendste Mangelerscheinung sei ein Defizit an Vitamin B12, berichtet Braun. «Vitamin B12, das an der Blutbildung beteiligt ist, muss der Sportler bei streng veganer Ernährung anderweitig zu sich nehmen.» Das sei absolut wichtig, betont der Experte. «Der kritische Nährstoff ist Vitamin B12», pflichtet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bei.

Braun empfiehlt eine Misch-Ernährung. «Viel Obst, Gemüse und Getreideprodukte als Basis unserer Ernährung und nur punktuell tierische Produkte – so sieht eine aus ernährungswissenschaftlicher Perspektive ausgewogene Ernährung grundsätzlich aus.»

Union-Profi Lenz greift auf Vitamin-B12-Präparate zur Nahrungsergänzung zurück, um Mangelerscheinungen auszuschließen. «Das ist das Einzige, was ich separat zu mir nehme. Andere mögliche Mangelerscheinungen möchte ich natürlich unbedingt ausgleichen», sagt der Defensiv-Spezialist des Berliner Bundesligisten.

Viele Athleten schwören auf eine rein vegane Ernährung und berichten von einem «besseren Körpergefühl» nach ihrer Umstellung. Dieses Gefühl sei nach Ansicht Brauns nicht trennscharf mit dem absoluten Verzicht auf tierische Produkte verbunden. «Im Schnitt essen die Deutschen deutlich mehr Fleisch- und Wurstwaren als aus ernährungswissenschaftlicher Sicht empfohlen. Der Verzicht kann dafür sorgen, dass man näher an die gewünschten Verzehrsempfehlungen rückt und sich dadurch besser fühlt.»

Die Ernährung als Stellschraube für eine besseren Leistung – diese Idee ist nicht neu. Von der amerikanischen Sprint-Legende Carl Lewis ist dieses Zitat überliefert: «Ich habe herausgefunden, dass ein Athlet kein tierisches Eiweiß braucht, um ein erfolgreicher Sportler zu sein.» Seit 1990 ernährte sich Lewis nach Angaben des Deutschen Leichtathletik-Verbandes vegan und gewann danach noch drei seiner insgesamt neun Goldmedaillen bei Olympia.

Lenz bleibt vorerst seinem Speiseplan aus jeder Menge Obst, Gemüse, Smoothies und Nüssen treu. Nach zwei Monaten sei es zu früh, um ein körperliches Resümee zu ziehen. «Dafür ist die Ernährungsumstellung bei mir noch zu frisch. Angangs habe ich zirka ein bis zwei Kilogramm abgenommen, durch häufigeres Essen und Krafttraining habe ich dieses Gewicht aber schon wieder zurück.»


(dpa)

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