Tüftler Löw zwischen «Vision» und «Mission»

Kopenhagen – Aus dem Kurzurlaub direkt in den Wettkampf. Mit dem ungewöhnlichsten Turnierkader seiner Amtszeit wagt Joachim Löw einen Kaltstart in das Fußball-Abenteuer Confederations Cup.

Am Montag versammelte sich bis auf den erkrankten Leipziger Timo Werner die illustre Reisegruppe um die spät berufenen Länderspielneulinge Sandro Wagner (29 Jahre) und Lars Stindl (28) am Düsseldorfer Flughafen zur gemeinsamen Weiterreise nach Kopenhagen. Und nach nur einer Trainingseinheit steht am Dienstag (20.45 Uhr) für die von Weltmeister Julian Draxler angeführte deutsche Nationalmannschaft im Brøndby Stadion bereits der Ernstfall-Test gegen Dänemark an.

«Die erste Woche nehmen wir als Vorbereitung auf den Confed Cup», sagte Löw vor dem Start in ungewisse vier Wochen mit bis zu sieben Länderspielen. «Das Spiel in Dänemark ist eine Standortbestimmung, wo stehen die Spieler nach zwei Wochen Pause», sagte er. Bevor es Mitte kommender Woche nach Russland geht, folgt am kommenden Samstag noch ein WM-Qualifikationsspiel in Nürnberg. «Gegen San Marino werden wir gewinnen», sagte Löw – auch mit einem uneingespielten Team. Der freiwillige Verzicht auf die gestandenen Weltmeister von Toni Kroos bis Thomas Müller in diesem Sommer ist ein kalkuliertes Risiko.

Im sonnigen Kopenhagen warb der dänische Verband am Montag auf Plakaten noch mit Weltmeister Mesut Özil um Zuschauer für das Jubiläumsspiel 25 Jahre nach dem EM-Titelgewinn gegen den damaligen Finalgegner Deutschland. Zu sehen bekommen die dänischen Fans bei der Neuauflage aber höchstens einen «Weltmeister light».

Julian Draxler (Paris St. Germain), Matthias Ginter (Borussia Dortmund) und Shkodran Mustafi (FC Arsenal) sind die einzigen Titelgewinner von Rio 2014, die im Aufgebot stehen. Dafür sind gleich sieben Länderspieldebütanten dabei: Neben dem Hoffenheimer Wagner und dem Gladbacher Stindl noch Marvin Plattenhardt (Hertha BSC), Kerem Demirbay (Hoffenheim), Amin Younes (Ajax Amsterdam) und Torwart Kevin Trapp (Paris St. Germain). Löw verzichtete auf eine Nachnominierung für Angreifer Leroy Sané (Nasen-OP). Wegen Magen-Darm-Beschwerden wird Stürmer Werner den Auftakt in Dänemark verpassen. Der 21-Jährige soll aber dann gegen San Marino zum Team stoßen.

Die Spieler hatten für die Zeit seit dem Bundesliga-Ende persönliche Trainingspläne erhalten. Beim Kaltstart gegen Dänemark wird Löw viel improvisieren müssen, eine völlig neuformierte Elf wird auf dem Platz stehen. «In dieser Phase, beim Confed Cup, steht eindeutig die Entwicklung im Vordergrund, nicht einzig und allein erfolgreiches Handeln», sagte Löw zu seinem spannenden Sommer-Experiment.

Sein Handeln wird vom großen Ziel bestimmt. «Den WM-Titel 2018 wieder zu gewinnen, das ist die Vision. Den Confed Cup möglichst erfolgreich zu bestreiten mit Blick auf die Entwicklung der Spieler – das ist die Mission», verdeutlichte Löw. Die eingeladenen Akteure, besonders die Erstberufenen, gehen die Aufgabe mit Ehrgeiz an. «Ich freue mich riesig», sagte Hoffenheims Torjäger Wagner: «Confed Cup ist ja nicht so beliebt bei den meisten – für mich ist das ein Riesenturnier.»

Auf gerade einmal 150 Länderspiele kommt Löws 22-Mann-Aufgebot. Der Altersschnitt beträgt 24 Jahre. Nur vier Spieler haben im Nationaltrikot schon Tore erzielt – insgesamt acht. Der Bundestrainer will junge Spieler wie den Schalker Leon Goretzka (22) oder den Leverkusener Julian Brandt (21) in Spielen gegen Top-Nationen wie Südamerikameister Chile mit Bayern-Profi Arturo Vidal «auf das nächste Level» heben. «Wenn es gelingt, dass uns drei, vier Spieler im nächsten Jahr entscheidend helfen können bei der WM, dann bin ich zufrieden», erklärte Löw.

Beim WM-Ernstfall 2018 kann er dann wieder auf seine «Superspieler» wie Neuer, Boateng, Kroos, Khedira, Özil, Müller oder Hummels setzen. Aber Löw will bis zum angepeilten Confed-Cup-Finale am 2. Juli in St. Petersburg Talente voranbringen, die «auf die Etablierten Druck ausüben». Nur dann sei in Russland der fünfte WM-Titel drin. «Wir wollen den Hunger wieder wecken, den bedingungslosen Hunger auf Erfolg. Nur dann haben wir im nächsten Jahr die Chance, wieder den Titel zu holen. Das ist mein größtes Ziel», sagte Löw.


(dpa)

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