Istra – Ein Jahr in München kann auch einem Franzosen in Russland weiterhelfen. Zumindest setzt Corentin Tolisso vom FC Bayern im hochkarätig besetzten Kader der französischen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM auch auf die Erfahrungen aus seinem ersten Jahr beim deutschen Serienmeister.
Was er dort erlebe, «dass man sich immer hinterfragen muss, ich denke, es hilft mir auch bei meiner internationalen Karriere», sagte der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler in einem Interview der «L’Équipe».
Geführt wurde es nach Angaben der französischen Sportzeitung Ende Mai, veröffentlicht wurde es am Dienstag – aus gutem Grund: Tolisso könnte an diesem Freitag im Viertelfinale der Weltmeisterschaft in Nischni Nowgorod gegen Uruguay wieder in die Startformation rücken. Sein Auftritt beim Auftakt gegen Australien hatte ihn selbst hadern lassen. «Ich hatte großen Willen, aber mit der Umsetzung hat es gehapert», hatte Tolisso eingeräumt. Er war gegen den erfahrenen Blaise Matuidi ausgewechselt worden.
Gegen Peru (1:0) und Dänemark (0:0) kam der Wahl-Münchner gar nicht, im Achtelfinale gegen Argentinien (4:3) erst in der Schlussviertelstunde zum Einsatz. Matuidi kassierte gegen die Südamerikaner allerdings die zweite Gelbe Karte und darf gegen Uruguay nicht spielen. «Er fehlt uns natürlich», gab Co-Trainer Guy Stéphan am Montag bei einer Pressekonferenz der Équipe Tricolore zu.
70 Länderspiele absolvierte der 31 Jahre alte Matuidi, war einer der Garanten für den Finaleinzug bei der EM vor zwei Jahren im eigenen Land. Für Tolisso, den die Bayern vor gut einem Jahr für die Rekordsumme von 41,5 Millionen Euro von Olympique Lyon holten, wäre es Länderspiel-Einsatz Nummer zwölf. Und ohne Zweifel der bis dahin wichtigste. Nicht mal andeuten wollte Didier Deschamps langjähriger Assistent Stéphane aber, ob die Wahl auf Tolisso gegen die starken Uruguayer fällt. Für «L’Équipe» ist er aber die «natürliche Lösung».
Dass er es von den Bayern gewohnt ist, auch auf die Bank rotiert zu werden, «das hilft» Tolisso nach eigenen Angaben ins Nationalteam ebenfalls. «Ich sage mir, dass ich einfach besser sein muss als die anderen, mich selbst übertreffe», erklärte er. «Wenn ich meine Chance bekomme, liegt es an mir, zu zeigen, dass es gerechtfertigt ist.»
Schon sein Vater habe ihm immer wieder gesagt: «Wenn du auf hohem Niveau erfolgreich sein willst, musst du im Kopf stark sein.» Wenn man jedoch die Arme nach den ersten Schwierigkeiten verschränke, bringe man es zu nichts.
Tolisso mit seinen 23 Jahren, Bundesliga-Kollege Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart mit 22, Kylian Mbappé, sogar ein Noch-Teenager mit 19 Jahren, Lucas Hernandez mit 22 – einige der Spieler, die die vielversprechende Fußball-Zukunft des ehemaligen Welt- und Europameisters Frankreich sind. Beim Auftakt gegen Australien vertraute Disziplin-Liebhaber und Pragmatiker Deschamps, einer derer aus der vergangenen Meister-Generation, der jüngsten französischen Startelf in einem WM-Auftaktspiel der Franzosen seit 1930. Im Schnitt 24 Jahre und sechs Monate waren die Elf Akteure alt. Einer von ihnen war Tolisso. Gegen Uruguay wäre er auch gern wieder einer von ihnen.
(dpa)