Tischtennis-Star Boll «hat noch ein paar Meisterschaften»

Budapest – Sein WM-Fazit zog Jörg Roßkopf im Konjunktiv. «Das hätte eine sehr, sehr erfolgreiche Weltmeisterschaft werden können», sagte der Bundestrainer des deutschen Tischtennis-Teams, während im Hintergrund in Budapest zwei Viertelfinals im Herren-Einzel liefen.

Bei diesen Spielen hätte Roßkopf gern selbst in der Trainerbox gesessen, doch daraus wurde trotz bester Voraussetzungen nichts. Dimitrij Ovtcharov schied früh aus, Timo Boll wurde über Nacht krank – und das riss kurz vor dem entscheidenden Match um eine Medaille im Doppel auch seinen Freund und Partner Patrick Franziska mit rein. Denn dieses Doppel, da ist sich Roßkopf sicher, hätte in Budapest seinen eigenen WM-Triumph gemeinsam mit Steffen Fetzner aus dem Jahr 1989 wiederholen können. «Sie waren hervorragend in Form. Sie hätten hier 30 Jahre nach unserem Titel wieder etwas reißen können.»

Die Deutschen waren gut drauf, die übermächtigen Chinesen für ihre Verhältnisse eher nicht. Die große Frage nach dem Abschied von Boll und Co. von dieser Weltmeisterschaft ist deshalb: Werden sie so eine Chance noch einmal wieder bekommen?

Auf den ersten Blick spricht allein Bolls Alter von 38 Jahren dagegen. Für den früheren Weltklassespieler Roßkopf und auch den deutschen Sportdirektor Richard Prause verliert dieses Argument im modernen Tischtennis-Sport jedoch immer mehr an Bedeutung.

«Jemand wie Timo kann deutlich länger spielen, als ein Chinese, der irgendwann ausgebrannt ist, weil er über Jahre wie ein Verrückter zwölf Stunden am Tag trainiert hat», sagte der Bundestrainer, der im Alter von 35 Jahren selbst noch einmal eine WM-Medaille mit der deutschen Mannschaft gewann. «Timo hat noch ein paar Meisterschaften, er denkt noch nicht ans Aufhören.» Sein bester Spieler sei «immer noch voller Ehrgeiz, weil er sieht: Sein Spielsystem passt perfekt, er ist körperlich topfit und er ist technisch perfekt ausgebildet. Er kann noch länger auf diesem Niveau weiterspielen.»

Nach einer bitteren Erfahrung wie dieser WM ist die Terminflut im Tischtennis für die deutschen Stars jetzt Fluch und Segen zugleich. Denn für sie geht es jetzt mit den nächsten wichtigen Wettbewerben einfach gleich weiter. Patrick Franziska spielt Anfang Mai mit dem 1. FC Saarbrücken um den europäischen ETTU-Pokal, Dimitrij Ovtcharov will mit Fakel Orenburg die Champions League gewinnen. Danach folgen die China Open in Shenzhen (28. Mai bis 2. Juni) und die European Games in Minsk (21. bis 30. Juni), die in diesem Jahr beinahe so wichtig sind wie die Weltmeisterschaften, weil man sich dort auf dem schnellsten Weg für die Olympischen Spiele 2020 qualifizieren kann.

Dass die in einem Jahr im tischtennis-verrückten Japan stattfinden, hat natürlich auch eine Sogwirkung auf diesen Sport. Die Gastgeber stecken aus diesem Grund noch mehr Geld in ihr Team, und die Chinesen werden noch motivierter sein, ihre großen Rivalen zu schlagen.

Für die Deutschen macht das die Aufgabe nicht leichter. Sie wissen aber auch: «Die Tischtennis-Welt ist sehr eng zusammengerückt. Niemand ist unschlagbar», sagte Prause. Genau das sei das zweite wichtige Fazit dieser WM. «Auch die Chinesen haben hier gewackelt.»

Der Sportdirektor des Deutschen Tischtennis-Bundes trauert deshalb in Budapest nicht bloß dem geplatzten WM-Traum von Timo Boll hinterher. Die Bronzemedaille in dem neu ins olympische Programm aufgenommenen Mixed-Wettbewerb für Patrick Franziska und Petrissa Solja ist für ihn «mehr als nur ein Trostpreis. Wir gehören nach wie vor zu denen, die im Konzert der Großen eine gewichtige Rolle mitspielen», sagte Prause. «Wir können die Asiaten herausfordern und auch schlagen.»


(dpa)

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