Frankfurt/Main – Auf dem offiziellen Confed-Cup-Teamfoto tauchten plötzlich nur 21 Spieler auf. Als Bundestrainer Joachim Löw bei schönstem Sommerwettter im Sportpark Kelsterbach die letzte Vorbereitungsetappe auf den Fußball-Sommer in Russland startete, fehlte Diego Demme.
Der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler von RB Leipzig muss wegen Rückenproblemen für das Turnier vom 17. Juni bis 2. Juli passen. Löw verzichtet wie schon bei Leroy Sané, der wegen einer Nasen-Operation fehlt, auf eine Nachnominierung.
Gleich nach dem Wiedersehen in Frankfurt verdeutlichte die neue deutsche Fußball-Generation ihren immensen Confed-Cup-Ehrgeiz. «Das Turnier ist für jeden von uns wichtig», erklärte der Neu-Münchner Niklas Süle. Im Vorjahr hatte der von Hoffenheim zum FC Bayern wechselnde Abwehrspieler in Rio de Janeiro mit die olympische Silbermedaille gewonnen. «Da wurde uns zuvor auch nicht so viel zugetraut», verwies Süle auf Parallelen zu diesem Sommer.
Beim Probelauf für die WM 2018 streben Löws Perspektivspieler nach einem ähnlichen Erfolg. Und sie sehen sich als Repräsentanten des deutschen Fußballs in der Pflicht. «Wenn du als Weltmeister zum Confed Cup fährst, ist es immer ein Ziel, Titel zu gewinnen», sagte der 23 Jahre alte Emre Can vom FC Liverpool. Kapitän Julian Draxler huschte nach einem Kurztrip ans Mittelmeer wortlos in die Lobby. «Ich wusste, dass er nochmal in die Sonne geht», sagte Teammanager Oliver Bierhoff zum Wirbel um Paparazzi-Bilder von Draxler auf einer Yacht vor Ibiza. «Er ist gesund da, trainiert voll. Ich habe damit jetzt gar kein Problem. Das ist auch sein Privatleben», sagte Bierhoff.
Löw, der mit schwarzem T-Shirt und Sonnenbrille zwei Minuten nach dem offiziellen Treffpunkt am Teamhotel ankam, will den Ehrgeiz seiner jungen Mannschaft nutzen. Natürlich wittern die Turnier-Neulinge vom älteren Sandro Wagner (29) bis zum jungen Timo Werner (21) ihre Chance, auf dem offiziellen WM-Teamfoto 2018 wieder aufzutauchen.
Auch Löw hat nach der ersten Schnupperwoche mit vielen Neulingen und Nachrückern im eigentlich ungeliebten Turnier in vier russischen Städten schon einen ganz speziellen Reiz ausgemacht. «Ich sehe beim Confed Cup überhaupt kein Risiko, ganz im Gegenteil», sagte der Bundestrainer entschlossen im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Die Herausforderung, die quasi ohne alle großen WM-Stars am kommenden Montag in Sotschi gegen Australien beginnt, sei «eine Chance» und «eine Horizont-Erweiterung» für sein Personal, betonte Löw.
Am Donnerstag bricht der DFB-Tross mit nun 21 Spielern nach Russland auf. «Es wird für einige Spieler eine wichtige Erfahrung sein, mit der A-Mannschaft gegen Australien, Kamerun oder Chile zu spielen», erklärte der Weltmeistercoach. Dass die Stammkräfte und Fanlieblinge von Manuel Neuer über Mats Hummels bis zu Mesut Özil und Toni Kroos fehlen, verteidigte Löw nochmals mit deutlichen Worten: «Die Russen werden unsere Stars im kommenden Jahr sehen. Der Confed Cup ist ein Turnier zum Testen – für den Gastgeber genauso wie für uns.»
Der Bundestrainer will in Russland mit seinen Spielern die für eine erfolgreiche WM-Titelverteidigung 2018 mitentscheidenden Kleinigkeiten ausloten. Das betrifft die Fähigkeiten seiner Akteure ebenso wie die Bedingungen im Land des WM-Gastgebers: «Nächstes Jahr müssen wir top in Form sein und eine gute Performance abliefern.»
Ein klares Ziel in Form einer Turnierplatzierung für diesen Sommer mag Löw nicht vorgeben, auch wenn der Test gegen Dänemark (1:1) und das WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino (7:0) durchaus als Hoffnung weckende Proben zu werten sind. «Das werde ich auch intern nicht formulieren», unterstrich der 57-Jährige: «Ich werde schauen, dass wir eine möglichst homogene Mannschaft auf den Platz bekommen, die mit Einsatzfreude und Spielfreude zu Werke geht.»
Die Schwerpunkte der finalen Präparation hat Löw bereits benannt: Verfeinerung der Offensive, Aufbau einer stabilen defensiven Organisation und das Einüben von Standardsituationen. «Wir sollten wirklich mal komplett durchschnaufen», sagte Lars Stindl (28) nach den freien Tagen: «Jetzt freuen wir uns auf den Confed Cup.» Der Gladbacher ist ebenfalls neu in der deutschen Elitemannschaft.
Vor allem international wird Löws Kaderauswahl kritisch gesehen. Europameister Portugal und Löws Turnierfavorit Chile haben alle Asse dabei. «Ich kann natürlich eine gewisse Enttäuschung bei manchen verstehen. Doch die Fans wollen gerade bei uns diese Topspieler noch ein paar Jahre auf gutem Niveau sehen. Und sie wollen nicht sehen, dass sie verletzt sind», unterstrich Löw.
Der Freiburger betrachtet den Confed Cup auch als Gelegenheit, um einfach noch mehr Erfahrung zu sammeln, das Land und die Menschen besser kennenzulernen, die Bedingungen vor Ort, die Stimmung aufzusaugen. Das WM-Stammquartier für 2018 will er deshalb auch erst nach den aktuellen Turniereindrücken benennen. Es sei zudem wichtig, dass man «auch hinter die Kulissen» des Gastgeberlandes blicke, meinte Löw: Klar sei, «dass wir nicht mit Scheuklappen durch andere Länder reisen. Die Umstände dort interessieren uns immer».
(dpa)