Syrien hofft auf Fußball-WM in Russland

Damaskus – Ausgerechnet Omar al-Soma. Fünf Jahre lange durfte der Stürmer aufgrund seiner Sympathien zur Opposition nicht mehr in der syrischen Nationalmannschaft spielen. Doch mit seinem späten Treffer zum 2:2 gegen den Iran hielt der 28-Jährige im September die WM-Hoffnungen am Leben.

Vier Spiele trennen die Syrer noch davon, im kommenden Jahr tatsächlich bei der Endrunde in Russland dabei zu sein. Am Donnerstag starten die Ausscheidungsspiele gegen Australien. Nicht alle in Syrien finden das gut.

Das Duell mit dem Iran, der im blutigen Bürgerkrieg Seite an Seite mit Syrien kämpft, hat der fußballverrückte Flüchtling Ajaz Ali mit nur wenigen Freunden in Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern geschaut. «Es gibt hier nicht so viele, die sich für Fußball interessieren», sagt der 23-Jährige, der auf Facebook eine Fanseite für den syrischen Sport mit mehr als 100 000 Abonnenten betreibt. «Und unter den Syrern sagen viele: Das ist nicht meine Mannschaft, sondern das sind die Spieler des Regimes.» Es gebe nicht wenige, die hofften, dass Syrien ausscheidet.

Denn der Fußball ist in Syrien hochpolitisch und war es immer schon. Jahrelang machten die Mannschaften des Militärs und der Polizei die Meistertitel unter sich aus. Die besten Talente wurden eingezogen. Heute spielen viele Stars der syrischen Nationalmannschaft im Ausland. In Kuwait, den Emiraten oder in Katar. Auch al-Soma und Firas al-Khatib haben Syrien verlassen und waren lange nicht für die Nationalmannschaft aktiv. Die beiden Spieler aus Dair as-Saur und der früheren Rebellenhochburg Homs galten als Helden der Opposition – bis sie zurückkamen, um ihre Mannschaft zur WM zu bringen.

«Ich kenne einige Spieler, die immer noch für die Opposition sind», sagt Flüchtling und Fußballexperte Ajaz Ali. «Öffentlich würden sie das aus Angst nie sagen und loben in Interviews Präsident Assad.» Er aber kenne einige und wisse es besser. «Sie wollen, dass Syrien bei der WM dabei ist, deswegen machen sie da mit.»

Entsprechend euphorisch – und im Sinne der Regierung in Damaskus – geben sich die Verantwortlichen. «Syriens Mannschaft ist großartig, weil sie um die Verantwortung wissen, den Traum von 23 Millionen Syrern zu erfüllen», zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Sana kurz vor dem Spiel Mannschaftskapitän Ahmed al-Saleh.

Aber es gibt auch Berichte, die davon sprechen, dass Spieler und deren Familien in Syrien unter Druck gesetzt werden. Vor zwei Jahren reichte der ehemalige syrische Fußballspieler Aiman Kaschiet ein 20-Seiten langes Dossier bei der FIFA ein. Er ist inzwischen nach Schweden geflohen. In dem Bericht wirft er der syrischen Regierung Kriegsverbrechen gegen Fußballspieler und Stadien vor.

«Fußballspieler in Syrien spielten während des Krieges ohne große Lust», schreibt er. «Viele können das nicht offen sagen, weil sie Angst haben, dass sie oder ihre Familien verhaftet oder getötet werden könnten.» In dem Bericht listet Kaschiet mehr als 30 syrische Fußballprofis auf, die von der Regierung getötet worden sein sollen. Mit dem Bericht wollte er erreichen, dass der Fußball-Weltverband Syrien sperrt, weil politische Einflussnahme unter den FIFA-Statuten verboten ist.

Aber die FIFA feiert die Erfolgsgeschichte des syrischen Teams mit und berichtet auf ihrer Internetseite über den Höhenflug der «Kassiun-Adler», die nach dem Gebirgszug am Rande der Hauptstadt Damaskus benannt ist. In mehreren Berichten zitiert die FIFA syrische Nationalspieler, die es unter anderem positiv sehen, dass so viele junge Talente im Ausland spielen: «Davon profitiert das Spiel unserer Mannschaft», sagte Stürmerstar Firas al-Khatib in einem FIFA-Artikel. Und der gerade erst ins Team berufene, 30-jährige Hadi al-Masri sagt: «Syrien erlebt gerade die beste Periode seiner Geschichte.»

Dabei sind die Umstände schwierig. Ihre Heimspiele trägt die syrische Mannschaft wegen des Kriegs in Malaysia aus, mehr als 8 000 Kilometer von der Heimat entfernt. Das Abbasiden-Stadion im Herzen von Damaskus, in dem früher viele Länderspiele ausgetragen worden sind, lag lange direkt an der Front. Die umliegenden Hochhäuser weisen heute Einschusslöcher auf. Der Rasen wurde gerade erst frisch verlegt, bis vor kurzem zeigten Satellitenbilder und Internetvideos, dass das Stadion militärisch genutzt wurde.

Der amerikanische Sportsender ESPN berichtete kürzlich über die Beschwerde des in Schweden lebenden Menschenrechtlers Kaschiet. Die FIFA schickte ihm auf dessen Dossier hin eine Antwort, in der sie tragischen Umstände bedauerte. Diese gingen aber weit über sportliche Belange hinaus.

Während also nicht alle die Erfolge der syrischen Mannschaft so positiv sehen, hofft Flüchtling Ajaz Ali noch auf den Erfolg. «Ich bin hundert Prozent gegen Assad», sagt er. «Aber ich bin vor Assad geflohen, nicht vor der Mannschaft.»

Im Falle eines Erfolgs gegen Australien ist die Mannschaft in der letzten Qualifikationsrunde. Als Gegner könnten dann ausgerechnet die USA warten, die in Syrien die Opposition gegen Assad unterstützen.


(dpa)

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