Sprinter Malutedi: Sportverbot machte ihn zum Allrounder

London – Dass Tom-Sengua Malutedi so viel Sport treibt, hat einen ganz einfachen Grund: Er durfte es gar nicht. «Als Kind will man immer das, was man nicht darf», sagt der 20-Jährige schmunzelnd.

«Ich fand es schlimm, dass die anderen nie Zeit für mich hatten, weil sie in irgendeinem Training waren. Und ich saß zu  Hause.» Also fing auch Malutedi mit Sport an – und hörte irgendwie gar nicht mehr auf. Trotz aller Risiken. Denn Malutedi hat zwei unterschiedlich lange Beine. Das klingt zunächst nicht dramatisch, Millionen Menschen weltweit geht es ähnlich. Doch bei kaum jemandem ist es so drastisch wie Malutedi. 7,5 Zentimeter ist sein linkes Bein kürzer als das rechte. So darf er nun in London als Staffel-Starter erstmals an der Para-WM in London teilnehmen. Und viele Sportler mit Beeinträchtigungen sagen, dass seine schwerer wiegt als ihre.

«Im normalen Leben trage ich einen Innenschuh. Der ist abgeschrägt, darauf gehe ich quasi wie auf einem Stöckelschuh», berichtet Malutedi: «Auf der Laufbahn trage ich keinen Innenschuh.» Er passt nicht in Sprinterschuhe, zudem wäre er schwer und würde für eine unterschiedliche Belastung der Beine sorgen.

Dass er es nun zur WM geschafft hat, kann Malutedi dann auch stolz seinen alten Kumpels aus Oberhausen erzählen. Denn sie sind alle Sportskanonen. Sprinter Joshua Abuaku wurde 2015 Vize-Europameister der U20 über 400 m Hürden, Abass Baraou kürzlich Box-Europameister. Aleixo-Platini Menga, ein entfernter Verwandter Malutedis, startet bei der Leichtathletik-WM im August über 200 Meter.

Auch der kleine Sengua war trotz seiner Beeinträchtigung gleich talentiert. Als neun Jahre alter Fußballer erhielt er ein Angebot von Rot-Weiß Oberhausen. Er nahm es nicht an, weil sein Arzt ihn stets warnte, dass ein Beinbruch für ihn schlimme Folgen haben könnte. Malutedi wurde Boxer, schaffte es bis in die Bundesliga für Wismar, hörte aber kürzlich auf: «Ich will gesundheitlich nichts riskieren.»

Immer stößt er irgendwo an Grenzen, zumal der Schiefstand immer mehr wuchs. Von 0,3 Zentimetern mit einem Jahr über 5,5 Zentimeter mit zwölf bis auf den heutigen Stand. Doch das hält ihn nicht ab. «Ich habe in meinem Leben oft Tiefpunkte erlebt», sagt er: «Aber immer, wenn eine Tür zugefallen ist, ging eine andere auf.» Nun eben in der Leichtathletik. Und als Jörg Frischmann Malutedi vor einigen Monaten erstmals auf der Anlage von Bayer Leverkusen sah, war dem Teammanager des deutschen WM-Teams sofort klar: «Das wird mal einer.» 

Man müsse noch die endgültige Disziplin für ihn finden, sagt Frischmann. Ins WM-Aufgebot rutschte Malutedi erstmal kurzfristig und unverhofft nach, weil in Heinrich Popow, Felix Streng und David Behre gleich drei Läufer aus der bei den Paralympics siegreichen Staffel ausfielen. «100 Meter, 200, 400 und Weitsprung kommen in Frage», erläutert Frischmann. In letztgenannter Disziplin sprang er beim ersten Versuch auf Anhieb 5,30 Meter. Bei Markus Rehm, dem heutigen Weltrekordler, seien es damals 5,32 Meter gewesen, erinnert sich Frischmann. Und ist sich unabhängig von der Disziplin sicher: «Für die EM 2018 ist er ein klarer Finalkandidat. Und die Chance, dass wir ihn bei den Paralympics 2020 sehen, ist sehr groß.»


(dpa)

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