New York – Wegen ihrer kuriosen Verwarnung wollte Alizé Cornet keine französische Revolution anzetteln und hakte den Vorfall schnell als Fehler eines überforderten Schiedsrichters ab.
Ihrem Verbandspräsidenten hatte die französische Tennisspielerin in New York allerdings noch etwas Grundsätzliches mitzuteilen. Cornets kurzer Auftritt im Sport-BH bei den US Open hat eine neue Debatte um Gleichberechtigung im Sport nach sich gezogen.
Schauplatz New York: Dort zog sich Cornet am Dienstag während ihrer Erstrunden-Niederlage nach dem zweiten Satz um und bemerkte erst auf dem Platz, dass sie ihr frisches Tennis-Shirt falsch herum trug. Also zog sie es schnell aus und an, stand für einige Sekunden im Sport-BH auf dem Platz und kassierte zu ihrem Erstaunen dafür eine Verwarnung. Der US-Tennis-Verband bedauerte dies am Mittwoch. Alle Profis – männlich wie weiblich – dürften sich auf ihrem Stuhl umziehen.
Da hatte es schon reichlich Entrüstung und viel Solidarität für Cornet durch ehemalige und aktive Spielerinnen gegeben. «Das war ziemlich verrückt», berichtete sie überrascht vom großen Echo auf das, was sie als Fehler eines Einzelnen sieht. «Alle Spielerinnen haben mich unterstützt und gesagt, wenn ich eine Strafe bekomme, werden wir gemeinsam zur WTA gehen und eine Revolution machen.» Sie habe alle beruhigt: «Lasst uns erst die Informationen abwarten und schauen, ob wir einen Aufstand machen oder nicht.»
Die Damen-Profiorganisation WTA teilte mit, sie sehe sich als Vorkämpfer für die Gleichberechtigung. US-Tennis-Ikonen wie Billie Jean King und Tracy Austin schimpften über veraltete Regeln, der US-Verband räumte den Fehler ein und war froh, dass es keine weitere Strafe gab. Damit war der Fall an sich erledigt.
Schauplatz Paris: Bei der Rückkehr zu den French Open nach ihrer Schwangerschaft trat Serena Williams Ende Mai in einem schwarzen Catsuit an. Der Ganzkörperanzug unterstütze die Durchblutung, erklärte die langjährige Nummer eins. Allerdings fügte die für ungewöhnliche Tennis-Kleidung bekannte 36-Jährige auch hinzu, sie fühle sich in dem Anzug ein bisschen wie eine Superheldin.
Der französische Verbandspräsident Bernard Giudicelli will nun aus Respekt vor dem Spiel strengere Kleidervorschriften einführen. «Manchmal sind wir zu weit gegangen», sagte Giudicelli in der vorigen Woche. Serena Williams hat nach eigenen Worten am vergangenen Freitag mit ihm gesprochen und nahm das Ganze sehr gelassen.
Nicht so Cornet: «Was Bernard Giudicelli über den Catsuit von Serena Williams gesagt hat, war zehntausendmal schlimmer als das, was mir auf dem Platz passiert ist», stellte die 28-Jährige fest. Die frühere Nummer eins Victoria Asarenka pflichtete bei. Sie habe keine Ahnung, was respektlos daran sei, Tennis in einem Catsuit zu spielen.
Die 29 Jahre alte Weißrussin – eine der Mütter auf der Tour – sah die Verwarnung für die Weltranglisten-31. Cornet sehr wohl als grundsätzliches gesellschaftliches Problem. Solche Dinge müssten von Anfang an unterbunden werden, weil sie inakzeptabel seien. «Es gibt immer unterschiedliche Standards für Männer und Frauen», klagte Asarenka. Judy Murray – Mutter des Ex-US-Open-Siegers Andy Murray – wies darauf hin, dass Männer sich natürlich auf ihrem Stuhl ein frisches Tennis-Hemd anziehen dürften.
Auch Cornet fand, Frauen würden grundsätzlich etwas anders behandelt, im Tennis gebe es indes viel Gleichberechtigung. Dem stimmte auch Asarenka zu. So schütten alle vier Grand-Slam-Turniere gleiches Preisgeld für Damen und Herren aus. Das war aber lange Zeit anders.
Nicht alle auf das Thema angesprochenen Spielerinnen wollten oder durften sich indes äußern. Tatjana Maria erklärte nach ihrem Aus, sie sei angewiesen worden, dazu nichts zu sagen. Titelverteidigerin Sloane Stephens verwies kurz auf die schnelle Lösung. Veteranin Venus Williams wurde nach ihrem Zweitrunden-Sieg als Erstes nach der Verwarnung gefragt und entgegnete, sie wolle über ihr Match reden.
(dpa)