Spanien und der Feind in den eigenen Reihen

Madrid – Sergio Busquets kommt dieser Tage kaum ein Lächeln über die Lippen. Wie einige seiner Kollegen in der spanischen Fußball-Nationalmannschaft macht sich der Mittelfeld-Star des FC Barcelona vor dem WM-Qualifikationsduell am Freitag in Alicante gegen Albanien große Sorgen.

Schuld ist nicht der Gegner, sondern der «Feind in den eigenen Reihen», wie ein TV-Kommentator sich äußerte. Die Affäre um Busquets‘ Clubkollegen Gerard Piqué, der sich mit den Separatisten in der Region Katalonien solidarisch geäußert hatte und beim Training von Hunderten von Fans beschimpft und ausgebuht wurde, könnte den Weltmeister von 2010 nicht nur in Alicante, sondern auch mit Blick auf die WM 2018 belasten.

Busquets ist pessimistisch. Sehr pessimistisch. «Seit ich in der Nationalelf bin, ist es der schwierigste Augenblick», sagte er im Trainingsgelände in Las Rozas bei Madrid vor Journalisten. Und fügte hinzu: «Ich glaube nicht, dass sich eine Lösung für den Piqué-Fall wird finden lassen können.» Man geht davon aus, dass die Fans im wohl mit 28 000 Zuschauern ausverkauften Stadion José Rico Pérez Piqué am Freitag bei jeder Aktion ausbuhen werden. Angesichts der angespannten Lage sah sich sogar Bürgermeister Gabriel Echávarri veranlasst, einzugreifen. «Solange Piqué dieses Trikot trägt, müssen wir alle ihn und das ganze Team anfeuern», sagte er.

Das Problem sind aber nicht nur die Fans außerhalb Kataloniens. Nicht nur die Pfiffe. Innerhalb der Nationalelf soll es heftig rumoren. Orfeo Suárez, Kolumnist der gut informierten Zeitung «El Mundo», schrieb, einige Nationalspieler unter anderem von Barcelonas Erzrivale Real Madrid seien dieser Tage im Trainingslager «auf Distanz, auch physischer» zu Piqué gegangen. Real-Profi Nacho sagte dem Sportblatt «Marca»: «Ich fühle mich als Spanier, sehr spanisch. Damit sage ich alles.»

Piqué war in den Blickpunkt gerückt, nachdem er sich einmal mehr vehement für die Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen hatte. Am Wochenende hatte er ein Foto aus der Wahlkabine gepostet und geschrieben: «Gemeinsam sind wir nicht zu stoppen!» Das nahmen ihm sehr viele Spanier übel. Beim öffentlichen Training der Nationalelf wurde er am Montag von vielen Fans heftig beschimpft. «Piqué raus» war dabei das Angenehmste, was der 30 Jahre alte Innenverteidiger zu hören bekam. Trainer Julen Lopetegui brach die Einheit ab.

Der Katalane, der mit Popstar Shakira zwei Kinder hat, blieb unterdessen nicht tatenlos und versuchte alles, um die Affäre beiseite zu legen. Am Mittwoch trat er eigens vor die Presse und nahm sich sehr lange 34 Minuten Zeit, um auf 30 Fragen zu antworten. Auf der spontan einberufenen Pressekonferenz versicherte er: «Die Selección ist meine Familie.» Er sei «stolz, für Spanien spielen zu dürfen», fügte der Mann hinzu, der seit 2009 für «La Roja» spielt und mit Spanien 2010 Welt- und 2012 Europameister wurde. Er wolle nicht zurücktreten und erwäge, auch nach dem Turnier in Russland weiter international zu spielen.

Die Unruhe war so groß, dass Trainer Lopetegui darauf hinweisen musste, dass ein wichtiges Spiel ansteht. «Vorsicht mit Albanien! Im Gegensatz zur Meinung vieler ist es kein leichter Gegner. Das Team hat sich ja für die letzte EM-Endrunde qualifiziert.» Mit 22 Punkten aus acht Spielen führen die Spanier die Gruppe G mit drei Zählern vor Italien an. Der Gruppensieg und das Ticket nach Russland scheinen sicher. Aus den Begegnungen gegen Albanien und Montag in Israel werden nur vier punkte benötigt. Auf kurze Sicht muss sich Lopetegui keine großen Sorgen machen.


(dpa)

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