Lahti – Carina Vogt ist nicht ganz normal. Zumindest nicht für eine Skispringerin der heutigen Zeit. Und vielleicht gerade deshalb so erfolgreich.
An diesem Freitag gehört sie wieder zum Kreis der Favoritinnen auf den WM-Titel. Davon hat sie schon zwei. Und niemand würde sich wundern, wenn sie ihren Titel von 2015 in Lahti verteidigen würde. «Carina hat ihre Technik immer weiter ausgefeilt, sie ist in einer sehr guten Form», sagt Bundestrainer Andreas Bauer.
1,72 Meter groß, 62 Kilogramm schwer – eigentlich dürfte Carina Vogt gar nicht gewinnen. Zum Vergleich: Die japanischen Ausnahmespringerinnen Sara Takanashi und Yuki Ito messen gerade einmal 1,52 beziehungsweise 1,61 Meter und bringen nur 45 und 47 Kilogramm auf die Waage. Damit haben sie ungleich bessere Flugeigenschaften.
Doch Vogt kompensiert das mit antrainierten Parametern. «Sie ist nicht zu groß. Mit ihrer Skilänge von 2,48 Metern liegt sie absolut im Durchschnitt. Es gibt einen Größenkorridor, in dem man erfolgreich skispringen kann. Carina befindet sich da drin», sagt Bauer. Demnach begegnet die 25-Jährige der Konkurrenz zumindest von den sprungspezifischen Ausgangswerten wie Kraft und Schnelligkeit auf Augenhöhe.
Das große Plus der Degenfelderin ist ihre stoische Ruhe und Kaltschnäuzigkeit. «Es gibt viele Mädels, die einfach überdrehen. Carina ruht in sich, braucht und nimmt sich ihre Rückzugszonen», erklärt Bauer.
Diese Eigenschaften könnten ihr auch in Lahti zum Vorteil gereichen, denn auf der windanfälligen Schanze ist Nervenstärke gefragt. Das zweite Training musste wegen heftiger Böen abgebrochen werden, auch in den kommenden Tagen soll es stürmisch bleiben.
Bauer macht sich darüber keine Sorgen. Wenn es darauf ankam, war Vogt immer da. «Es zeichnet Carina aus, dass sie bei Großereignissen absolut cool bleibt – ich bin mir sicher, dass sie ihr Leistungsvermögen in Lahti sehr gut umsetzen kann», erklärt der Coach.
Da interessieren die Erfolge oder Misserfolge der Vergangenheit überhaupt nicht. Takanashi hat 53 Weltcupsiege auf ihrem Konto, Vogt gerade einmal zwei. Bei den Weltmeisterschaften 2015 in Falun und den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi aber landete die Deutsche stets vor der lange als unschlagbar geltenden Japanerin.
Vogt freut sich daher auf die WM. «Ich muss ja niemandem mehr etwas beweisen, kann völlig entspannt den Wettbewerb angehen», sagt sie. Wohl wissend, dass ihre Formkurve in den vergangenen Wochen – wie immer vor Großereignissen – sprunghaft nach oben schnellte. Zwei Jahre hatte sie nicht auf einem Weltcup-Podest gestanden, in Hinzenbach Anfang Februar dann gleich zweimal.
«Wie jedes Jahr, könnte ich zu meinem Saisonverlauf sagen», erklärt Vogt. «Schwieriger Start, dann über die Wettkämpfe gut reingearbeitet. Sowohl technisch als auch athletisch konnte ich die Lücke zur Spitze aber doch noch schließen.» Das will sie in der WM-Entscheidung eindrücklich beweisen.
(dpa)