Wisla – Beinahe überschwänglich reckte Stephan Leyhe die Faust in den polnischen Nachthimmel. Nicht die Stars Andreas Wellinger oder Richard Freitag haben den Weltcup-Auftakt der deutschen Skispringer geprägt, sondern der sonst so introvertierte Athlet aus dem hessischen Willingen.
«Ich glaube, jeder Skispringer liebäugelt damit. Es ist das erste Mal aufgegangen. Ich freue mich einfach riesig», sagte Leyhe mit stockender Stimme nach seinem zweiten Platz, der gleichzeitig die erste Einzel-Podestplatzierung für ihn bedeutete. Er wirkte von dem Moment gerührt.
Stärker war nur der Russe Jewgeni Klimow, der mit Sprüngen auf 127,5 und 131,5 Meter ebenfalls für eine Premiere sorgte: Den ersten russischen Weltcup-Sieg in 38 Jahren. «Es ist eine riesige Freude für uns alle. Ein Sportler, der sich langsam entwickelt und stetig an sich arbeitet. Das ist echt super für ihn, für das Team. Da freue ich mich», sagte Bundestrainer Werner Schuster in der ARD über seinen Schützling Leyhe. Beständig, ruhig, konstant: Das waren bisher die Attribute des 26-Jährigen, nun war es erstmals Leyhe selbst, der sich von den Kollegen feiern lassen durfte.
«Jetzt freuen wir uns für den Stephan. Ich glaube, er braucht noch ein bisschen, bis er es realisiert. Er hat es definitiv verdient», erklärte Olympiasieger Wellinger, der mit seinem elften Platz nach schwierigem Start und mühsamer Quali durchaus zufrieden war.
Leyhe würde die Top-Leistungen im Schneewirbel von Wisla gerne weiter zeigen: «Für mich heißt es, das jetzt in den nächsten Wochen zu bestätigen.» Dritter wurde der Japaner Ryoyu Kobayashi, für den polnischen Topfavoriten Kamil Stoch reichte es diesmal nur für Platz vier. Tags zuvor hatte der 31-Jährige noch sein Team mit starken Flügen zum Sieg im Teamspringen vor den DSV-Adlern geführt.
Das Fazit des DSV-Teams fällt durchweg positiv aus: Rang zwei im Teamspringen, ein Podestplatz im Einzel und eine geschlossene Mannschaftsleistung mit fünf Mann unter den besten 20. «Das ganze Wochenende gesehen bin ich schon sehr zufrieden. Wir sind sehr breit aufgestellt, wir haben ein gutes Niveau in unserer Mannschaft», befand Schuster.
Da fiel es auch nicht so sehr ins Gewicht, dass Freitag und Wellinger ihre gewohnten Leistungen aus dem Vorjahr und Sommer-Durchstarter Karl Geiger sein Niveau vom Grand Prix nicht zu 100 Prozent bestätigen konnten. «Ich hätte die Sprünge gar nicht so daneben gesehen. Aber sie passen nicht, um ganz vorne mitzumischen», erklärte der letztjährige Gesamtzweite Freitag. Wellinger war nach seinem starken zweiten Sprung auf 132 Meter nur eine saubere Landung davon entfernt, selbst unter die besten Fünf zu springen.
Der Sonntagabend in der südpolnischen Idylle gehört aber definitiv Leyhe. «Wir werden auf jeden Fall auf ihn anstoßen», sagte Wellinger, der sich mit dem ruhigen Hessen im Winter traditionell ein Zimmer teilt. Und auch in seiner Heimat, dem Weltcup-Ort Willingen im Upland, erwartet Leyhe beste Stimmung: «Die Willinger, die können schon ordentlich feiern», sagte er. In der kommenden Woche sind die Adler im finnischen Kuusamo am Start, dann wird auch Severin Freund nach eineinhalb Jahren sein Comeback feiern.
(dpa)