Skiflug-WM: «König Kamil» jagt die letzte Trophäe

Oberstdorf – Vier Flüge trennen Kamil Stoch vom zweiten großen Eintrag ins Skisprung-Geschichtsbuch im Jahr 2018.

Nur zwei Wochen nach dem historischen Vierfachsieg bei der Vierschanzentournee, der zuvor in 66 Jahren nur Sven Hannawald gelungen war, jagt der polnische Olympiasieger bei der Skiflug-WM in Oberstdorf nach seinem letzten fehlenden großen Titel – und könnte sich damit als erst zweiter Skispringer nach dem Finnen Matti Nykänen als Weltmeister, Olympiasieger, Skiflug-Weltmeister, Gesamtweltcup-Sieger und Gewinner der Vierschanzentournee krönen.

«Jetzt brauche ich Ruhe und muss mich auf mich konzentrieren. Ich will nicht an Ergebnisse denken, denn das macht die Situation nicht einfacher», sagte Stoch dem polnischen Portal skijumping.pl. Vier Springen in neun Tagen, der mediale Druck und der historische  Triumph von Bischofshofen sind an die Substanz des 30-Jährigen gegangen.

«Ich hoffe, dass ich bis zum nächsten Wochenende etwas mehr erreichen kann. Aber ich kann nichts versprechen», sagte Stoch, der bei der Generalprobe am Kulm in Österreich nur 21. wurde und seine dominanten Tournee-Leistungen überraschenderweise nicht bestätigen konnte. 

Bei der WM im Allgäu, die am Donnerstag (16.00 Uhr) mit der Quali beginnt und am Freitag und Samstag den neuen Skiflug-Titelträger im Einzel sucht, ist Stoch daher nur einer von vielen Kandidaten auf Gold. Die Deutschen um Rückkehrer Richard Freitag und den Tournee-Zweiten  Andreas Wellinger können dem Polen ebenso gefährlich werden wie die Norweger, die angeführt von Kulm-Sieger Andreas Stjernen und Daniel Andre Tande zuletzt eine hervorragende Flugform zeigten.

«Kamil kann auch fliegen, er war vielleicht ein bisschen müde. Er ist auch nur ein Mensch», sagte Bundestrainer Werner Schuster über den Athleten, der seinen Springern den so heiß ersehnten Tournee-Triumph mit vier Einzel-Erfolgen in Serie vermasselt hatte. Das auch vom Wind beeinflusste Fliegen am Kulm sollte nicht überbewertet werden, findet Schuster.

Tatsächlich gibt es gleich zwei Faktoren, die im Allgäu gegen Stoch sprechen: Der Pole hat Kräfte gelassen und wurde in der Heimat dermaßen gefeiert, dass er auch nach der Tournee kaum zur Ruhe kam. «Ich bin etwas erschöpft und werde niemandem vormachen, dass es nicht so ist, aber ich versuche, nach vorne zu schauen. Mir ist bewusst, dass noch nicht einmal Saisonhalbzeit ist», sagte Stoch. Er müsse zunächst Energie sammeln und die Ruhe genießen. Und: «König Kamil», wie er in Polen genannt wurde, hat in seiner Karriere erst zweimal ein Skifliegen gewonnen: 2011 in Planica und 2017 in Vikersund.

Bei der Tournee betonte Stoch immer wieder, dass er von Sprung zu Sprung schaue und sich daher weder auf Siege noch auf Trophäen konzentrieren könne. So wenig wie ihn Hannawalds Kunststück bis zum Erfolg in Bischofshofen interessierte, so wenig beschäftigt ihn nun auch die nächste historische Leistung, die er in Oberstdorf vollenden könnte. «Ich will Erster sein, denn dafür trainieren wir, aber ich fahre mit diesem Gedanken nicht zu jedem Wettkampf», sagt Stoch.

In Polen hat der Nachfolger des heutigen Teammanagers Adam Malysz damit den nationalen Skisprung-Hype wieder befördert. Polnische Fans pilgern zu den Schanzen quer durch Europa und feiern ihre Helden. So wird es auch in Oberstdorf sein. Neben Mitfavorit Stoch dürfen sie auch beim Mannschaftswettbewerb am Sonntag auf eine Medaille hoffen.


(dpa)

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