München – Bei der stimmungsvollen Huldigung von Jupp Heynckes vor einem rot-weißen Fahnenmeer schalteten die Meister-Bayern schon wieder in den Angriffsmodus.
Berlin-Triumphator Niko Kovac soll als neuer Trainer die jüngste Münchner Singlezeit beenden, eine kostspielige Shoppingtour plant der Rekordchamp aber nicht. «Wir werden nix mehr investieren, sondern werden unsere Spieler dazu bringen, besser zu spielen», sagte ein entschlossener Präsident Uli Hoeneß und nahm damit seine Stars gleich mal in die Pflicht.
«Wir brauchen den einen oder anderen Spieler, der in wichtigen Spielen Höchstleistung bringt und nicht, wenn man gegen die schwachen Gegner spielt. Und daran müssen wir arbeiten», erteilte Hoeneß dem früheren Bayern-Profi Kovac noch dessen feucht-fröhlichen Cup-Wochenende den ersten öffentlichen Arbeitsauftrag. Einen Megatransfer mit einem Preisschild von 80 oder 90 Millionen schloss Karl-Heinz Rummenigge für die neue Kovac-Truppe anders als Hoeneß nicht aus. «Wir haben kein Limit», sagte der Vorstandschef. «Wir haben da noch keine finale Entscheidung gefällt.»
Zum dritten Mal in den vergangenen vier Spielzeiten gehen die Münchner mit nur einer der drei großen Trophäen aus der Saison. Der sechste Meistertitel am Stück dokumentiert die Ausnahmestellung. Aber der stolze FC Bayern will auch in Europa bleibende Siege feiern. Wie in den Vorjahren fehlten in den alles überstrahlenden K.o.-Spielen gegen Real Madrid Nuancen. Nach diesem unglückliche Aus in der Champions League war der Stecker in der Bayern-Saison gezogen; zum Saisonende gab es noch das 1:3 im Pokalfinale gegen Frankfurt.
«Es hat ein bisschen was gefehlt im Endspiel», räumte Rummenigge ein. Der Vorstandsboss erinnerte die 15 000 Fans auf dem Marienplatz an die schmerzhafteste Heynckes-Saison. «Wir haben das letzte Finale vor sechs Jahren verloren. Damals haben wir sogar zwei verloren. Es ist wichtig, dass man aus Niederlagen immer die richtigen Lehren zieht.» Im Mai 2012 gab es eine 2:5-Schmach im Pokalendspiel gegen Dortmund, eine Woche später Tränen beim «Finale dahoam» gegen den FC Chelsea.
Rummenigge verzichtete zu Kovac‘ Glück bei seiner Ansprache auf den Hinweis auf das zwölf Monate später folgende Triple unter Heynckes. Die Lust auf mehr Trophäen ist beim Ensemble um Rückkehrer Manuel Neuer auch ohne Chef-Ansage riesengroß. «Nächstes Jahr greifen wir wieder an und dann stehen wir hier mit mehr als einem Titel», rief Wembley-Held Arjen Robben der jubelnden Anhängerschar zu. Heynckes dankte Mannschaft und Fans. «Ich möchte ab nächster Woche wieder mein Leben genießen», sagte der 73-Jährige. Er wolle «auf Normaltemperatur kommen» und wieder im «eigenen Bett» schlafen.
Wie gerne die in Tracht gekleideten Stars ihren «Jupp» mit dem Pott in den Ruhestand verabschiedet hätten, war an den Frust-Mienen abzulesen. «Wir sollten uns nicht reinreden lassen, dass das eine schlechte Saison war», sagte Hoeneß. Man habe die Meisterschaft gewonnen, eine «sehr gute» Champions-League-Saison gespielt und sei auch im DFB-Pokal bis zum Abschluss «überragend» aufgetreten.
Doch am Ende zählen Trophäen. Hoeneß hatte vor einem Jahr betont, dass ein Titel auf Dauer zu wenig ist. «Auf jeden Fall, vor allem mit den Möglichkeiten, die wir hatten», stimmte Weltmeister Mats Hummels zu. Joshua Kimmich sprach von einer «brutal enttäuschenden Saison».
Für das erste von drei vertraglich vereinbarten Kovac-Jahren stehen bislang die Zugänge von Leon Goretzka (FC Schalke) und des an 1899 Hoffenheim ausgeliehenen Serge Gnabry fest. Europameister Renato Sanches kehrt nach seiner Ausleihe von Swansea City zurück. «Ob wir dann die drei Monate ohne Zu- und Abgänge abliefern werden, das kann ich heute nicht seriös voraussagen», sagte Rummenigge.
Die Verträge der Routiniers Franck Ribéry (35), Robben (34) und Rafinha (32) wurden um je ein Jahr verlängert. Bayern-Talente wie Ron-Thorben Hoffman, Lars Lukas Mai, Meritan Shabani und Franck Evina bekamen Profiverträge. Über die Zukunft von Arturo Vidal und Jérôme Boateng wurde schon spekuliert. Spieler wie Juan Bernat oder Sebastian Rudy dürften mit ihren Rollen unzufrieden sein.
«Wir werden Stand heute keine Spieler mehr verpflichten, aber sicher den einen oder anderen Spieler abgeben», sagte Hoeneß. Ein kostspieliger Zugang würde «nur in Frage kommen, wenn der eine oder andere uns verlassen würde und wir das notwendige Geld einnehmen würden. Das sieht im Moment nicht so aus.»
(dpa)