Berlin – Ein Stoß, ein Schrei, die Kugel ploppt auf den kurz gestutzten satten Rasen: David Storl hat bei der Quali-Show mitten in der Berliner City auf Anhieb das EM-Finale erreicht.
Mit 20,63 Metern gleich im ersten Versuch machte der 28 Jahre alte Leipziger am Montagabend kurzen Prozess. Die 3000 Zuschauer auf der Kugelstoß-Anlage am Breitscheidplatz verabschiedeten den dreimaligen Europameister mit der Hoffnung auf einen historischen Dienstagabend: Als erster Kugelstoßer kann Storl im Olympiastadion zum vierten Mal in Serie Gold bei Leichtathletik-Europameisterschaften holen.
«Eine großartige Arena, das Publikum ist wirklich klasse! Es tut mir leid, dass es nur ein Versuch war», sagte Storl lachend und machte eine mutige Ansage: «Ein bisschen weiter hätte es schon sein können – aber das machen wir morgen.» Die geforderte Quali-Weite lag bei 20,40 Metern; Storls Saisonbestleistung steht bei 21,62 Metern.
Hunderte Fans, Touristen und Neugierige mussten draußen vor den Metallzäunen bleiben und versuchen, wenigstens einen Blick auf die starken Männer zu erhaschen. Am frühen Dienstagmorgen haben sie weitaus bessere Chancen, wenn die 50-Kilometer-Geher auf einem engen Stadtkurs unter der weltbekannten Gedächtniskirche die ersten beiden Europameister der Titelkämpfe ermitteln.
Die Atmosphäre rund um den Schauplatz der einzigen City-Qualifikation glich einem Volksfest, schon mittags war kaum ein Durchkommen mehr. Doch viele Besucher werden beim Flanieren über den Breitscheidplatz kaum an den 19. Dezember 2016 gedacht haben: Bei dem Anschlag vor anderthalb Jahren hatte der Terrorist Anis Amri an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zwölf Menschen getötet und mehr als 70 verletzt.
Die EM-Macher und Cheforganisator Frank Kowalski haben sich schon vor Jahren für Wettbewerbe auf dem Breitscheidplatz entschieden – und nach dem Terroranschlag gesagt: Jetzt erst recht! «Wir lassen uns da auch nicht vertreiben!», sagte Jürgen Kessing, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). «Das macht Sinn, um auch zu zeigen: Hier geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um Freiheit, um Frieden und ein Stück Demokratie. Wir wollen unser öffentliches Leben auch selber bestimmen!»
Der Breitscheidplatz sei am 19. Dezember 2016 «Schauplatz eines grausamen Terrorakts» gewesen. «Dagegen setzen wir jetzt ein Zeichen der Völkerverständigung und für die europäische Einheit», hatte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) schon vor EM-Beginn in einer Mitteilung betont.
Auf der sogenannten Europäischen Meile finden die Kugelstoß- Qualifikation der Männer, je zwei Marathon- und Geher-Entscheidungen sowie 38 Siegerehrungen statt. Der Breitscheidplatz solle «ein Ort des friedlichen Miteinanders» sein, sagte Müller.
(dpa)