St. Petersburg – Von wegen «kein Zlatan, keine Party»: Ausgerechnet im ersten Turnier nach der 15-jährigen Ära ihres exzentrischen Superstars schreibt die Nationalmannschaft schwedische Fußball-Geschichte und ein echtes Mittsommermärchen.
Erstmals seit 24 Jahren zogen sie durch das 1:0 (0:0) gegen die Schweiz ins WM-Viertelfinale ein. Mit dem Leipziger Matchwinner Emil Forsberg und Martin Olsson, dem Schwager von Basketball-Ikone Dirk Nowitzki – aber eben ohne Zlatan Ibrahimovic.
Und der Eindruck liegt nahe, dass das Team ohne den wohl besten Fußballer der schwedischen Geschichte wie von einer Last befreit ist. Nun müssen nicht mehr alle für einen arbeiten, nun ist nicht mehr das ganze Spiel auf einen ausgerichtet, von dessen Launen und Tagesform alle abhängig waren.
«Wir haben keine individuellen Qualitäten wie zum Beispiel Deutschland. Aber wir sind eine richtige Mannschaft», sagte Forsberg. Seine Worte will er in Richtung Ibrahimovic nicht überinterpretiert wissen. Große Mühe, den Verdacht zu beseitigen, gibt der wechselwillige Noch-Leipziger sich aber nicht: «Ich will nicht darüber reden.»
Auch Trainer Janne Andersson wollte nicht über den 36-Jährigen Ibrahimovic sprechen. «Wir reden über das Jetzt und diese Mannschaft», sagte er: «Sie hat einen tollen Teamgeist.» Auch der frühere Hamburger Marcus Berg betonte: «Wir haben im Moment nicht die besten Spieler der Welt. Aber wir sind eine Mannschaft.» Er versicherte aber auf Nachfrage, der Erfolg in Abwesenheit Ibrahimovics sei «sicher Zufall».
So oder so sind der Jubel und die Euphorie in Schweden groß. Im Viertelfinale am Samstag gegen England winkt der erste Halbfinal-Einzug seit 1994. Doch viele Schweden träumen schon vom zweiten Endspiel nach dem bei der Heim-WM vor 60 Jahren. «Während der Übertragung hatte man das Gefühl, das ganze Lande würde stillstehen», berichtete Mats Gren, Sportchef beim Traditionsverein IFK Göteborg: «Und vermutlich wird das erstmal so bleiben. Überall laufen Leute im gelben Trikot herum. Sie lieben diese Nationalmannschaft so sehr wie die im Eishockey.» Diese war im Mai Weltmeister geworden. «Und vielleicht können wir ja dasselbe schaffen», meinte Mittelfeldspieler Viktor Claessen mit einem frechen Grinsen.
Auch in den Medien ist die Euphorie greifbar. «Es war das größte Match der schwedischen Fußball-Herren seit zwölf Jahren», schrieb «Dagens Nyheter»: «Und am Samstag wird es noch größer.»
Dann wird auch Dirk Nowitzki wieder mitfiebern. Der NBA-Star hat nämlich eine verwandtschaftliche Bande zu den Skandinaviern: Er ist seit 2012 mit Jessica Olsson verheiratet, der Schwester von Linksverteidiger Martin Olsson. Beim Vorrunden-Spiel der Tre Kronor gegen Deutschland sei er der einzige in der Familie gewesen, der ein DFB-Trikot getragen hat, hatte Nowitzki verraten. Seine Frau hatte den drei Kindern Schweden-Trikots angezogen.
Doch spätestens seit dem Aus des Weltmeisters hält Nowitzki zu Schweden. «Wir wollten eigentlich nach Russland fahren, um Martin zu unterstützen, aber das geht in diesem Sommer leider nicht. Trotzdem drücken wir natürlich Schweden die Daumen», hatte Nowitzki vor dem Turnierstart in einem Interview seiner Stiftung erklärt: «Ich freue mich aber natürlich, wenn mein Schwager gut spielt.»
(dpa)