Pyeongchang – Das Ergebnis von Sotschi kann Anna Schaffelhuber in Pyeongchang nicht toppen. Mit fünf Goldmedaillen bei fünf Starts wurde die Monoskifahrerin vor vier Jahren in den Medien zur «Gold-Anna» der Winterspiele für Menschen mit Behinderung. Eine Bürde oder Motivation?
«Ich bin die einzige, die da oben steht und jede einzelne von den Goldmedaillen schon daheim hat», sagt die 25-jährige Regensburgerin. Sie will sich vor den Paralympics in Südkorea, die für sie mit dem Abfahrtsrennen an diesem Samstag beginnen, nicht unter Druck setzen. «Das ist nicht mein absolutes Zufriedenheitskriterium, dass ich da am Ende mit fünf goldenen heimkomme.» Sie sei entspannter geworden, sagt Schaffelhuber.
Das sieht nicht nur sie selbst so. «Sie hat in den vergangenen Jahren einen unglaublichen Reifeprozess hingelegt», sagt der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes Friedhelm Julius Beucher. Er meint jedoch auch: «Natürlich spürt Anna Druck. Sie weiß, dass sie von vielen bei jedem Start mit dem Ergebnis von Sotschi verglichen wird.»
Der deutsche Chef de Mission Karl Quade hält die Erwartungshaltung an ein erfolgreiches Abschneiden wieder für berechtigt, «doch wenn man die Weltcup-Ergebnisse betrachtet, wird schnell deutlich, dass die Konkurrenz in den vergangenen Jahren sicher größer geworden ist.»
Eine Titel-Rivalin kommt aus dem eigenen Lager. «Anna ist von meinem Vorbild zu meiner Konkurrentin geworden», sagt Anna-Lena Forster. «2014 war ich die Schlechtere, jetzt sind wir ungefähr auf einer Höhe», erklärt sie. «Wir können uns gegenseitig battlen. Jeder schaut sich von der anderen was ab. Das ist für uns beide positiv.»
Schaffelhuber zählt Forster gerade im Slalom und Riesenslalom zu den Hauptkonkurrentinnen um Gold. Zudem sei die Österreicherin Claudia Lösch überall stark einzuschätzen, sagt Schaffelhuber. «Und die Japanerin Momoka Muraoka muss man immer auf der Rechnung haben.»
Konkrete Medaillenziele habe sich Schaffelhuber nicht gesetzt, sagt sie. «Ich gehe es Tag für Tag an und will an jedem einzelnen Tag das Beste rausholen», erklärt die querschnittsgelähmte Sportlerin ihre Strategie. «Ich habe meine Geschichte in Sotschi geschrieben und die nimmt mir keiner mehr. Von daher glaube ich, dass ich einfach alles riskieren kann, ohne irgendwas zu verlieren.»
Die neue Herangehensweise soll der ehrgeizigen Schaffelhuber dabei helfen, auch das «Drumherum ein bisschen zu genießen. Das ist mir bei den vergangenen Paralympics nicht so gut gelungen.»
Auch von möglichen Rückschlägen will sich die Bayerin nicht den Spaß an den Spielen verderben lassen. Als sie im Abfahrtstraining von Pyeongchang im Fangzaun landete, erklärte sie der wartenden Konkurrenz im Zielraum kurz den Fehler und verabschiedete sich dann gut gelaunt: «Davor und danach war es im Endeffekt eine ordentliche Fahrt und deshalb okay.»
Ein ordentliches, besser ein gutes Rennen, soll es auch am Samstag werden. Dann hat Schaffelhuber die erste von fünf Medaillenchancen. Das Highlight folgt schließlich zum Schluss. «Ich freue mich besonders auf den Riesenslalom», sagt Schaffelhuber und blickt schonmal auf den letzten Wettkampftag voraus. Und wer weiß? Vielleicht hat sich Schaffelhuber dann schon wieder den Status «Gold-Anna» erarbeitet.
(dpa)