London – Sergej Schubenkow hätte in dieser Nacht wohl auch als Mars-Mensch über seine Silbermedaille gejubelt. Ob als Russe aus Südsibirien oder neutraler Athlet unter dem schnöden Kürzel ANA – das war dem Hürdenflitzer so ziemlich egal.
«Die Farbe des Trikots spielt keine Rolle», sagte der 26-Jährige nach einem denkwürdigen Finale bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London. Nach Bronze in Moskau 2013 und Gold in Peking 2015 hat der Russe nun seinen Medaillensatz komplett.
«Ein bisschen frustriert bin ich schon, denn ich wollte hier Gold und meinen Titel verteidigen», erzählte Schubenkow nach dem Endlauf über 110 Meter Hürden, den der Jamaikaner Omar McLeod in 13,04 Sekunden gewann. Eine Zehntelsekunde später flitzte der Mann im hellblauen Trikot über die Linie. Ein historischer Moment: Denn erstmals seit dem kollektiven Doping-Bann der Leichtathleten holte ein Russe unter neutraler Flagge eine WM-Medaille.
Vizeregierungschef Witali Mutko sprach von einem hervorragenden Ergebnis. Was in der Leichtathletik geschehe, wirke sich unweigerlich auf die Stimmung aller russischen Sportler aus. Mutko lobte die Haltung der 19 russischen Leichtathleten, die in London als «Authorides Neutral Athletes» starten dürfen. «Für sie ist es nicht leicht. Manche treten ohne Trainer an», sagte er am Dienstag der Agentur Tass.
Zufrieden war Schubenkow am Ende des Tages schließlich doch. «Letztes Jahr war ein Desaster – und nicht nur wegen des Banns der Russen», erzählte er. «Deshalb bin ich glücklich, wieder zurück zu sein und eine WM-Medaille gewonnen zu haben – die dritte hintereinander.»
Das sah auch sein Trainer Sergej Klewzow so. Zwei Jahre Suspendierung würden sich unweigerlich auf die Leistung auswirken, meinte er. «Vor diesem Hintergrund ist Silber ein gutes Ergebnis.»
Schubenkow stammt aus Barnaul im Gebiet Altai. Schon seine Mutter Natalja Schubenkowa war eine erfolgreiche Leichtathletin, 1986 gewann sie EM-Silber im Siebenkampf hinter der Neubrandenburgerin Anke Brehmer. Bei Twitter gibt Schubenkow als Wohnort an: «Fast überall». Den Dopingkontrolleuren reicht das nicht. Jeder Athlet muss seine täglichen Aufenthaltsorte im Meldesystem des Weltverbandes IAAF akribisch hinterlegen.
Die IAAF hatte Russland auch von den Olympischen Spielen 2016 in Rio verbannt und dort nur die Weitspringerin Darja Klischina zugelassen, weil sie sich in den USA aufhielt und unabhängige Dopingtests absolviert hatte. Im Vorjahr war außerdem der Mittelstreckenläuferin Julia Stepanowa ein Startrecht für die EM zuerkannt worden.
(dpa)