Ronaldos Zaubertore schocken Spanien

Sotschi – War was? Cristiano Ronaldo zwinkerte nochmal kurz mit dem Auge, dann verschwand er in der leicht regnerischen Nacht von Sotschi. Das Pathos überließ er nach dem nächsten Superlativ seiner glanzvollen Karriere den anderen.

«GÖTTLICH», titelte die portugiesische Sportzeitung «Record» nach seinem Dreierpack beim 3:3 gegen die geschockten Spanier. «Du machst uns sprachlos», schrieb «A Bola». Die Worte fehlten zunächst auch den Spielern der Selección, denen Ronaldo innerhalb weniger Tage den nächsten Tiefschlag verpasst hatte. «Wir gehen mit einem seltsamen Gefühl weg», meinte Angreifer Diego Costa.

Erst mussten die Spanier 48 Stunden zuvor die überraschende Beurlaubung ihres Trainers Julen Lopetegui verkraften, weil dessen Wechsel zu Real Madrid zu einem Zeitpunkt verkündet worden war, der dem Verband überhaupt nicht passte. Dann trafen sie mit ihrem Interimscoach Fernando Hierro gleich auf diesen Ronaldo, der ihnen den WM-Auftakt mit seinem späten Ausgleich gründlich verdarb. «Das ist ein schöner Erfolg», meinte Portugals Megastar nüchtern. «Ein weiterer in meiner Karriere.» Vielleicht ist die nächste historische Nacht, die nächste Tore-Gala, die nächste phänomenale One-Man-Show für ihn selbst tatsächlich nicht mehr als das gewesen: die nächste.

Er ist jetzt der erst vierte Spieler der Geschichte, der bei vier WM-Turnieren jeweils getroffen hat. Zuvor war das neben Pelé nur Uwe Seeler und WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose gelungen. Kloses Bestmarke von 16 WM-Toren ist für Ronaldo aber (noch) in weiter Ferne, da er nach seinem Dreierpack gegen die Spanier bei nun sechs WM-Toren steht. Aber wer würde schon ausschließen, dass er diese Marke nicht auch noch knackt? «Ich habe es so oft gesagt: Cristiano ist der Beste der Welt. Natürlich hoffe ich, dass er auch in Katar für uns noch viele Tore schießen wird», sagte Portugals Coach Fernando Santos. Ronaldo wäre bei der WM 2022 37 Jahre alt.

Jetzt ist er 33 – das sieht man ihm aber auch nicht an. Der Dreierpack gegen Spanien war Nummer 51 seiner Laufbahn. Er ist der älteste Spieler, dem jemals bei einer WM drei Tore in einem Spiel gelangen. Auf Spanisch heißt das: «Cristiano versaut uns das Debüt», wie die spanische Sportzeitung «Marca» titelte. Die Begeisterung über die Leistung des Champions-League-Siegers von Real Madrid war aber im Anschluss an das spektakuläre Spiel auch den spanischen Spielern anzuhören. «Ich denke, dass die Leute, die schlecht über Ronaldo reden, ein Problem haben», sagte Spaniens Doppeltorschütze Diego Costa. «Denn die Wahrheit ist, dass er jede Saison 40, 50 Tore schießt und fast immer dabei ist. Es gibt keinen wie ihn.»

Es gibt bei dem Turnier in Russland wohl wenige Mannschaften, die so abhängig von einem Spieler sind, wie die Portugiesen von Ronaldo. «Ronaldo drei – Spanien drei», schrieb nicht nur «A Bola» im Anschluss an das erste hochklassige Spiel dieser WM. Ronaldo erzielt nicht nur fast alle Tore. Er gebe dem Team allein durch seine Präsenz auf dem Platz «unglaubliche Sicherheit», sagte Außenverteidiger Cedric. Portugal ist Ronaldo, aber das täuschte nicht darüber hinweg, dass die Spanier insgesamt die bessere Mannschaft waren. Trotz des Schocks um die Trennung von Lopetegui kombinierte die Selección auch in Sotschi phasenweise überragend. Ballbesitz hatten die Portugiesen nur zu 38 Prozent.

«Die Spieler haben eine fantastische Reaktion auf die Situation gezeigt und dafür bin ich sehr, sehr dankbar», sagte Neu-Trainer Hierro, der trotz des Ausgleichstreffers von Ronaldo in der 88. Minute «sehr stolz» auf seine Spieler war. Grund zur Sorge müssen die Iberer in der Tat nicht haben, nicht nur weil nun mit Iran und Marokko vergleichsweise leichte Gegner warten. Ihrem Trainer-Chaos und Ronaldo zum Trotz hatten die Spanier gezeigt, dass sie den vermutlich schönsten Fußball bei dieser WM spielen können. Sie zählen ganz sicher auch weiter zum engsten Kreis der Titelfavoriten. Und Ronaldo ist ohnehin alles zuzutrauen. «Wir glauben daran, dass wir bis ganz zum Ende kommen», sagte er.


(dpa)

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