Lyon (dpa) – Cristiano Ronaldo traf – und schwieg. Mit einem Doppelpack hatte der Superstar Portugals Horrorszenario des frühzeitigen EM-Knockouts beim irren Sechs-Tore-Spektakel gegen Ungarn abgewendet, seine Gefühle schilderte er nach dem 3:3 (1:1) jedoch nicht.
Nach langem Warten erschien der zum Man of the Match gewählte EM-Rekordspieler am Mittwochabend zwar bei der Pressekonferenz, doch Fragen der Journalisten an ihn waren nicht zugelassen.
Der lokale UEFA-Medienvertreter begründete die Maßnahme nicht; Ronaldo deutete in einem kurzen Statement an, der portugiesische Verband habe diese Entscheidung zu verantworten. Auch in der Mixed Zone blieb Ronaldo stumm.
Dafür sprach sein Trainer Fernando Santos und lobte seinen Weltklasseprofi für eine herausragende Leistung. «Er ist ein Winner-Typ, ein Torjäger. Ich bin sicher, das lässt sein Selbstvertrauen für das nächste Spiel gegen Kroatien wachsen.» Die überraschend starken Osteuropäer sind Gegner der Portugiesen im Achtelfinale.
55 514 Zuschauer in Lyon erlebten ein dramatisches Spiel, das vor allem für die Portugiesen zu einem Wechselbad der Gefühle wurde. Zoltán Gera (19. Minute) und Balázs Dzsudzsák (48./55.) brachten die schon vor dem Anpfiff für das Achtelfinale qualifizierten Ungarn dreimal in Führung. Nani (42.) und zweimal Ronaldo (50./62.) glichen dreimal aus. «Dreimal während des Spiels waren wir schon draußen, das hätte jedes Team verunsichert. Aber mein Team hat dreimal ausgeglichen», stellte Santos erleichtert fest.
Ungarns Trainer Bernd Storck war ebenfalls begeistert. «Es war ein fantastisches Spiel. Wir haben noch einmal draufgelegt und immer an uns geglaubt», sagte er und bewertete den Gruppensieg als «Traum» für das ganze Land. In der K.o.-Runde geht es nun gegen Belgien.
Ronaldo ist der erste Spieler, der bei vier aufeinanderfolgenden Turnieren traf und mit insgesamt acht Endrundentoren auch der zweitbeste Schütze der EM-Geschichte hinter dem Franzosen Michel Platini (9). Zudem avancierte der Ausnahmekönner vom Champions-League-Sieger Real Madrid mit 17 Einsätzen zum alleinigen EM-Rekordspieler.
Vor dem Alles-oder-Nichts-Spiel lagen Ronaldos Nerven noch blank. Auf seinem morgendlichen Spaziergang am Hotel-See entriss er einem portugiesischen TV-Reporter, der ihn nach seiner Form gefragt hatte, das Mikrofon und warf es ins Wasser.
Auf dem Rasen ging der dreimalige Weltfußballer dann erst einmal durch die Hölle. Ronaldo lamentierte, Ronaldo schimpfte – und sackte in sich zusammen, als Gera die Ungarn mit einem satten 20-Meter-Schuss in Führung brachte. Mit 37 Jahren und 62 Tagen avancierte der Mann von Ferencvaros Budapest zum zweitältesten EM-Torschützen nach dem Österreicher Ivica Vastic (2008).
Ungarns Torwart-Oldie Gabor Kiraly musste sich im ersten Durchgang lediglich nach einer knappen halben Stunde bei einem Ronaldo-Freistoß aus knapp 30 Metern strecken. Ansonsten konnte der Superstar keinen Schrecken verbreiten. Seine zumeist harmlosen Versuche begleiteten die ungarischen Fans mit höhnischem Beifall.
Doch dann blitzte Ronaldos Können kurz vor der Pause doch noch auf: Mit einem herrlichen Pass ebnete er Nani den Weg zum 1:1. Für Ronaldos Sturmpartner war es bereits der zweite Treffer bei dieser Endrunde.
Obwohl Ungarn-Trainer Storck die im Turnierverlauf bereits verwarnten Tamas Kadar, Laszlo Kleinheisler, Adam Nagy und Krisztian Nemeth aus Angst vor einer Sperre auf der Bank gelassen hatte, drehte der Außenseiter nach dem Wechsel erst richtig auf.
Gleich zweimal schlug Dzsudzsák aus der Distanz zu, beide Male wurde der Ball noch von einem Portugiesen abgefälscht. Doch die Freude über die neuerliche Führung währte jeweils nur kurz, weil Ronaldo doch noch seine Torflaute beendete. Zunächst traf er per Hacke zum 2:2, dann per Kopf zum 3:3. Auf der Gegenseite hatte Akos Elek mit einem Pfostenschuss Pech. So blieb es beim verdienten Remis, nach dem beide Mannschaften jubeln konnten.
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