München – Eines haben die Vollgas-Fußballer aus Leipzig schon vor dem Bundesliga-Hit am Mittwochabend erreicht: Sie haben sich die Anerkennung des FC Bayern erarbeitet, und die bekommt man nicht so leicht.
«Sie sind Zweiter, sie spielen sehr gut, sie verdienen Respekt», sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nach dem 1:0-Sieg bei Darmstadt 98. Wie groß dieser Respekt ist, zeigen auch die Aussagen von Uli Hoeneß über den Leipziger Coach. «Ralph Hasenhüttl macht es gut bei RB Leipzig», sagte der Bayern-Präsident dem «Kicker». «Wenn wir irgendwann einmal einen deutschsprachigen Trainer suchen sollten, gehört er mit Sicherheit zu den drei Kandidaten, über die man nachdenken muss.»
Für Münchner Verhältnisse sind das ungewohnt milde Töne. In der Regel sind es genau solche Spitzenspiele, vor denen der bayerische «Mia San Mia»-Kult noch einmal besonders strapaziert wird.
Als Werder Bremen 2004 an den Bayern vorbeizog, tönte Uli Hoeneß vor dem direkten Duell: «Wir müssen Bremen richtig niedermachen.» Als der Rivale vier Jahre später 1899 Hoffenheim hieß und Ralf Rangnick noch Trainer jenes anderen Emporkömmlings war, hielt Hoeneß dem heutigen Sportdirektor von RB Leipzig öffentlich «Besserwisserei» vor.
Doch diesmal gibt es selbst vom gerade erst wieder inthronisierten Bayern-Präsidenten nur so etwas wie «Hoeneß light»: «Mir wäre es schon recht, Weihnachten mit ein paar Punkten Vorsprung auf Leipzig feiern zu können und Ruhe unterm Tannenbaum zu haben», sagte der 64-Jährige im «Bayern-Magazin» zu diesem Topspiel am Mittwoch (20.00 Uhr). Was er grundsätzlich von diesem durchaus umstrittenen Club hält? «Wer Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg akzeptiert, der darf auch mit RB Leipzig und Red Bull kein Problem haben.»
Natürlich ist den Münchnern nicht entgangen, dass der Bundesliga-Neuling in dieser Saison für genau das steht, was den Bayern in der Nach-Guardiola-Zeit abhanden gekommen zu sein scheint: für Tempo, Draufgängertum, Erfolgshunger und vor allem: für einen klaren Plan, der jedem Spieler in jeder Situation vermittelt, was er zu tun hat. Der maue Auftritt der Bayern in Darmstadt kam in weiten Teilen wie eine Antithese zum «Leipziger Starkstromfußball» («Frankfurter Allgemeine Zeitung») daher: bleiern, inspirationslos, träge. «Wie wir gerade in der ersten Halbzeit aufgetreten sind, war das nicht der FC Bayern», sagte auch Torwart Manuel Neuer.
Umgekehrt wissen natürlich auch die Leipziger, dass ein solches Topspiel für sie neu und für die Bayern Alltag ist. «Wer gegen Madrid, Barcelona oder Manchester United gespielt hat, der ist auch gegen Rasenballsport bereit», sagte der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge noch in Darmstadt.
Philipp Lahm, Arjen Robben, Franck Ribery – diese geballte Erfahrung aus zusammengezählt 736 Bundesliga-, 283 Länderspielen und 18 deutschen Meistertiteln wurde in Darmstadt noch geschont und soll gegen Leipzig wieder einsatzbereit sein. Auf die Frage, was am Mittwoch für sein Team spreche, sagte Neuer deshalb auch: «Man kennt den FC Bayern. Jeder weiß, was wir für klasse Spieler haben.»
Einer von ihnen wird gegen Leipzig allerdings nicht dabei sein: Weltmeister Jérôme Boateng muss nach Medieninformationen an der Schulter operiert werden und danach eine achtwöchige Pause einlegen.
Genau für solche Situationen bemühen sich die Münchner um eine Verpflichtung von Nationalverteidiger Niklas Süle von 1899 Hoffenheim. An einem Wechsel seines Teamkollegen Sebastian Rudy zu den Bayern zweifelt ohnehin niemand mehr. Von einer solchen Anziehungskraft und solchen Möglichkeiten sind die Leipziger noch immer weit entfernt. Deshalb glaubt der langjährige Bayern-Rivale Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund auch: «Es würde mich sehr wundern, wenn Leipzig am Mittwoch in München etwas holt. Die Bayern werden dieses Spiel sehr, sehr wichtig nehmen.»
(dpa)