Lille – 28 010 Zuschauer sangen vor dem Spiel inbrünstig die Marseillaise, in den 60 Minuten danach schrien sie Nikola Karabatic & Co. förmlich ins Viertelfinale der Handball-Weltmeisterschaft.
Der 31:25 (14:13)-Achtelfinalsieg der «Equipe tricolore» gegen Island vor der stimmungsvollen WM-Rekordkulisse im Fußballstadion Pierre-Mauroy in Lille bescherte der Endrunde in Frankreich den ersten Gänsehautmoment. «Es war einzigartig und magisch, vor so einer Kulisse zu spielen», sagte der sichtlich gerührte Karabatic.
Selbst der 40-jährige Oldie Thierry Omeyer, der einst beim THW Kiel zwischen den Pfosten stand, konnte sich nicht an einen solch emotionalen Moment in seinen 23 Profi-Jahren erinnern. «Das war etwas ganz Besonderes, so etwas habe ich noch nie erlebt», sagte der Weltklasse-Torhüter. «Das Publikum hat uns zu diesem Sieg getragen.»
Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass sich der fünfmalige Rekord-Weltmeister bei seiner Titel-Mission voll auf die Fans verlassen kann, diese Partie hatte ihn geliefert. Die Gastgeber verschliefen die Startphase und lagen nach zwölf Minuten mit drei Toren hinten. Zur Pause war der Ausgang der Partie offen. «Wir hatten in der ersten Halbzeit wegen unserer Defensivschwächen einige Probleme», gestand Trainer Didier Dinart.
Doch dann zeigte sich, was die Anhänger mit Begeisterung bewirken können. «Wenn du eine solch großartige Unterstützung von den Fans hast, ist es leichter, die Spielkontrolle zu erlangen», erklärte Dinart. «Wir haben einige Dinge nach dem Wechsel korrigiert, und es hat funktioniert.»
Seine Truppe lief zu großer Form auf und ließ den tapferen Isländern keine Chance mehr. «Es war alles andere als leichte Arbeit. Das war gegen eine starke und gut organisierte Mannschaft wie Island aber auch nicht anders zu erwarten», sagte Karabatic.
Was folgte, war Jubel und Partystimmung. «Wir wollten ein wenig mit den Fans feiern, um das zu genießen. Das sind besondere Momente in der Karriere», sagte Rückraumspieler Adrien Dipanda. Und Teamkollege Nedim Remili schwärmte: «Wir alle haben als Kinder davon geträumt, mal in einem Fußballstadion zu spielen. Dies jetzt als Handballer zu erleben, ist riesig.»
Das ganze Land scheint von einer Welle der Begeisterung erfasst worden zu sein. Beim WM-Eröffnungsspiel gegen Brasilien war die Halle in Paris mit 15 609 Zuschauern ausverkauft, zu den anderen vier Gruppenspielen in Nantes kamen insgesamt 109 000 Fans. Wenn es für den Gastgeber am Dienstag um den Einzug ins Halbfinale geht, wird die Heimstätte des Fußball-Erstligisten OSC Lille erneut rappelvoll sein.
«Der Begeisterung der Menschen ist es zu verdanken, dass unser Sport seit dem ersten WM-Triumph 1995 so populär geworden ist. Der Handball kann stolz sein», sagte Michael Guigou, mit sechs Treffern bester Schütze gegen Island. Jetzt fehlt zur Krönung nur noch der sechste WM-Titel.
(dpa)