Rassismus-Vorwürfe in Englands Frauen-Fußball

London – Zunächst habe sie über den Spruch ihres Trainers Mark Sampson gelacht. Dann sagt die englische Fußball-Nationalspielerin Eniola Aluko: «Aber weil ich schockiert war und nicht wusste, was ich sagen soll.»

Im Interview, das der britische Sender BBC in dieser Woche veröffentlichte, kämpft die gebürtige Nigerianerin mit den Tränen. «Pass auf, dass sie kein Ebola mitbringen», soll Sampson schon im November 2014 über Alukos Familie gesagt haben. Der 34-Jährige bestreitet die Vorwürfe, die erst vor kurzem öffentlich wurden, vehement.

Der englische Fußballverband FA steht nach wie vor zu seinem Trainer, der mit den «Lionesses» bei der Fußball-Europameisterschaft in diesem Sommer das Halbfinale erreichte. Aluko hatte die Vorwürfe erstmals 2016 in einer internen und vertraulichen Umfrage der FA geäußert. Laut britischen Medien kamen sowohl eine interne als auch eine von der FA in Auftrag gegebene unabhängige Untersuchung später zu dem Ergebnis, es habe kein Fehlverhalten von Seiten Sampsons oder des Verbandes gegeben.

Die 30-Jährige bezeichnete diese Untersuchungen als fehlerhaft und erneuerte jetzt ihre Anschuldigungen. Die FA kritisierte hingegen, die Stürmerin habe auf die unabhängige, dreimonatige Untersuchung der Rechtsanwältin Katharine Newton gar nicht reagiert. Zudem habe es keine offizielle Beschwerde gegeben. Allerdings zahlte der Verband laut britischen Medien umgerechnet rund 87 000 Euro an die Spielerin – angeblich für eine Verschwiegenheitserklärung, um vor der Europameisterschaft 2017 «Unruhe zu vermeiden».

Aluko, die beim FC Chelsea unter Vertrag steht und in der letzten Saison Topscorer der Women’s Super League war, sieht sich als Opfer von Mobbing. «Eine Woche, nachdem ich geäußert habe, was ich als Diskriminierung empfand, stand ich zum ersten Mal seit elf Jahren nicht im England-Team», betont sie im BBC-Interview. «Seitdem wurde ich nie wieder ins Aufgebot berufen.» Zuvor hatte sie 102 Länderspiele gemacht. Die FA dementierte laut BBC einen Zusammenhang mit den Vorwürfen und nannte ihre Nichtberufung «rein zufällig».

Die Anti-Rassimus-Organisation «Kick It Out» bezeichnete die Situation als «ein völliges Durcheinander mit Klagen und Gegenklagen» und forderte eine neue, umfassende und unabhängige Überprüfung der Prozesse. Vom Zeitpunkt des ersten Hinweises von Aluko bis zur abschließenden Newton-Untersuchung müsse alles beleuchtet werden. Weitere Unterstützung bekommt Aluko von ihrem Verein FC Chelsea, von Nationalmannschafts-Kollegin Lianne Sanderson und vom ehemaligen FA-Chef Simon Johnson. «Gut gemacht, Eni Aluko», schrieb er bei Twitter. «Schade, dass es nötig war, aber (das war) tapfer.»


(dpa)

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