Maranello – Kimi Räikkönen verzog keine Miene, als Lewis Hamilton schon die erste Abschiedsrede für ihn hielt.
«Dieser Sport würde ihn vermissen. Er hatte eine unglaubliche Karriere und es war eine Ehre, gegen einen großen Finnen wie ihn zu fahren», versicherte der Formel-1-Spitzenreiter und erzählte davon, wie er früher an der Spielkonsole immer virtuell als Räikkönen startete. Der 38-Jährige selbst lauschte Hamiltons Hymne unbewegt, obwohl die Spekulationen um sein Aus bei Ferrari immer mehr Fahrt bekommen. «Es wird immer Optionen geben, generell im Leben», sagte Räikkönen dazu nur.
In der so wichtigen Zukunftsfrage nach dem künftigen Teamgefährten von Sebastian Vettel hat sich die Scuderia in die Zwickmühle manövriert. Eigentlich schien im Frühsommer schon beschlossen, dass der 20 Jahre alte Ferrari-Zögling Charles Leclerc im nächsten Jahr Räikkönen ersetzt. Doch der Rennstall verpasste es, öffentlich Klarheit zu schaffen. Wohl auch, weil der Weltmeister von 2007 weiter Fürsprecher im Team hat. Nun ist die Saison in ihrer wichtigsten Phase, und das Hin und Her um Räikkönen belastet die Jagd von Ferrari und Vettel nach dem WM-Titel.
Auch der neue Ferrari-Boss drückte sich zuletzt in Monza um eine Antwort. «Nichts ist entschieden, und es gibt kein Zeitfenster», sagte Louis Camilleri. Dabei hatten sich da bereits die Hinweise verdichtet, dass sein Vorgänger Sergio Marchionne längst eine Entscheidung gefällt hatte.
Der zupackende Italo-Kanadier soll vor seinem plötzlichen Tod im Juli einen Vorvertrag mit Sauber-Pilot Leclerc geschlossen haben. Darin sei auch schon das Millionen-Gehalt für den Monegassen für die kommenden zwei Jahre vereinbart, berichtete die «Gazzetta dello Sport».
Weil Räikkönen in seiner 16. Formel-1-Saison jedoch meist überzeugte, beschlichen Ferrari anscheinend Zweifel. So soll Teamchef Maurizio Arrivabene versucht haben, Leclerc für die kommende Saison beim Partner-Rennstall Haas zu parken, holte sich aber angeblich eine Abfuhr. Eine Abmachung mit Leclerc einfach zu brechen, dürfte auch keine Option für Ferrari sein. Das Toptalent wird schließlich von Nicolas Todt beraten, dem Sohn des Weltverbandspräsidenten und früheren Ferrari-Teamchefs Jean Todt.
Sollte Räikkönen bereits das Signal erhalten haben, dass sich sein zweites Engagement bei Ferrari dem Ende neigt, geht der Rennstall ins Risiko. Würde sich der WM-Dritte dann noch in die Rolle des Vettel-Helfers fügen? Der Deutsche benötigt bei 30 WM-Punkten Rückstand auf Mercedes-Star Hamilton jede Unterstützung, die er bekommen kann.
In Monza war davon zuletzt nichts zu sehen. Räikkönen schnappte Vettel zunächst die Pole Position weg und konnte dem Hessen nach dessen Unfall dann auch keine Schützenhilfe leisten. Hamilton bezwang den Finnen und gewann. «Jetzt ist es wichtig, als Team zu reagieren, geordnet und entschlossen», mahnte Teamchef Arrivabene. Genau diese Eigenschaften aber lässt Ferrari in der Causa Räikkönen vermissen.
(dpa)