Radklassiker am Rhein: 13 Millionen für Froome, Martin & Co.

Düsseldorf – Am Samstag wird die 104. Tour de France in Düsseldorf gestartet. Erst zum vierten Mal beginnt die Frankreich-Rundfahrt auf deutschem Boden. Zum Auftakt winkt Tony Martin das Gelbe Trikot, im Kampf um den Gesamtsieg ist der dreimalige Champion Chris Froome der große Favorit.

Wie ist es dazu gekommen, dass Düsseldorf den Start der Tour de France ausrichtet?

Bereits vor gut einem Jahrzehnt hatte Düsseldorf Interesse signalisiert. Nachdem aber zahlreiche Dopingskandale den deutschen Radsport in eine tiefe Krise gestürzt hatten, wurde der Plan wieder verworfen. Nach dem Aufschwung der letzten Jahre und dem Wiedergewinn an Glaubwürdigkeit innerhalb der Branche flammte die Idee vom Rad-Spektakel am Rhein neu auf. Den Tour-Veranstalter ASO hat es gefreut. Die Tour trägt regelmäßig den Grand Départ im Ausland aus, um neue Märkte zu erschließen. Und gerade Deutschland ist ein wichtiger (Wirtschafts-)Standort für die ASO.

Was muss die Stadt für den Tour-Auftakt bezahlen?

Genaue Zahlen gibt es nicht. Es ist von rund 13 Millionen Euro die Rede. Demgegenüber stehen bislang Einnahmen von gut acht Millionen Euro, unter anderem durch Sponsoren-Einnahmen. Oberbürgermeister Geisel hofft aber durch den Tour-Auftakt auf einen nachhaltigen Werbeeffekt, schließlich ist die Frankreich-Rundfahrt das drittgrößte Sport-Event der Welt und wird in 190 Ländern übertragen. Zum Start werden bis zu einer Million Zuschauer erwartet.

Warum wurde Jan Ullrich nicht eingeladen?

Ullrich wird übel genommen, dass er nie mit seiner Doping-Vergangenheit aufgeräumt und ein vollumfängliches Geständnis abgelegt hat. Inzwischen mehren sich aber die Stimmen, dass der Bann gegen den einzigen deutschen Tourchampion aufgehoben werden soll. Bei den deutschen Radsport-Fans genießt Ullrich ohnehin noch eine große Beliebtheit, wie seine Starts bei Jedermann-Rennen zeigen.

Wie wird mit dem Thema Doping umgegangen?

Blutkontrollen aller Fahrer vor dem Start, Zielkontrollen und der Austausch von Daten und Informationen aus dem Biologischen Pass sind vorgesehen. Die französische Anti-Doping-Agentur hatte bereits vor dem Tour-Start zahlreiche Kontrollen von möglichen Teilnehmern der Frankreich-Rundfahrt genommen. Dazu sollen die Proben bis zu zehn Jahre für mögliche Nachkontrollen aufbewahrt werden. Im Vorfeld war der Portugiese André Cardoso vom Trek-Rennstall um Ex-Sieger Alberto Contador und John Degenkolb positiv auf EPO getestet worden. Der Fahrer wurde vom Rennen ausgeschlossen und vorläufig suspendiert. In den vergangenen Jahren waren die großen Dopingskandale während der Tour ausgeblieben.

Wann war die Tour zum letzten Mal in Deutschland?

2005 wurden die Etappenorte Karlsruhe und Pforzheim angesteuert. Einen Tour-Auftakt in Deutschland hatte es letztmals 1987 in West-Berlin gegeben. Davor hatten auch schon Köln (1965) und Frankfurt (1980) den Grand Départ ausgetragen.

Wie lange bleibt die Tour in Deutschland?

Am Samstag findet das Zeitfahren in Düsseldorf statt, einen Tag später fällt in der NRW-Landeshauptstadt auch der Startschuss zur zweiten Etappe. Über Neuss, Mönchengladbach und Aachen geht es nach Belgien zum Zielort Lüttich.

Wer sind die Favoriten auf den Gesamtsieg?

Der dreimalige Champion und Titelverteidiger Chris Froome ist der große Favorit, allerdings hat der Brite in dieser Saison noch keinen Sieg eingefahren und auch zuletzt beim Critérium du Dauphiné nicht überzeugt. Seine größten Herausforderer dürften der zuletzt überragende Australier Richie Porte und der kolumbianische Giro-Zweite Nairo Quintana sein. Frankreichs Hoffnungen auf den ersten Toursieg seit Bernard Hinault 1985 ruhen auf dem Vorjahreszweiten Romain Bardet. Ob der zweimalige Sieger Alberto Contador (Spanien) noch einmal gewinnen kann, erscheint eher fraglich.

Welche Chancen haben die deutschen Radprofis?

Tony Martin gehört zu den Favoriten auf das erste Gelbe Trikot, schließlich steht zum Auftakt ein 14 Kilometer langes Einzelzeitfahren auf dem Plan – ganz nach dem Geschmack des viermaligen Weltmeisters im Kampf gegen die Uhr. Ansonsten geht es für die 16 deutschen Akteure in erster Linie um Etappenerfolge. Die Topsprinter André Greipel und Marcel Kittel haben zusammen schon 20 Etappensiege eingefahren und gehören wieder zu den Favoriten auf den flachen Tagesabschnitten. Wird die Ankunft ein wenig schwerer, könnte die Stunde von Klassikerspezialist John Degenkolb schlagen.

Und in den Bergen?

Deutschland wartet weiter auf einen herausragenden Rundfahrer. In Zukunft könnte Emanuel Buchmann die Lücke schließen. Bei der Dauphiné-Rundfahrt hatte er einen starken Eindruck hinterlassen und das Weiße Trikot des besten Jungprofis gewonnen. Bei der Tour soll er im Bora-hansgrohe-Team aber Kapitän Rafael Majka (Polen) unterstützen.

Was sind die weiteren Höhepunkte der Tour 2017?

Auf den 3540 Kilometern von Düsseldorf bis Paris geht es insgesamt fünfmal ins Hochgebirge, darunter die drei Bergankünfte in La Planche des Belles Filles, Peyragudes und am Col d’Izoard. Die berühmten Anstiege wie Tourmalet, Alpe d’Huez oder Mont Ventoux sind indes nicht im Programm. Am vorletzten Tag wartet ein weiteres Zeitfahren mit Start und Ziel im Fußball-Stadion von Olympique Marseille. Dort sollte dann auch der Gesamtsieger feststehen.

Wie sieht es bei der Tour mit dem Thema Sicherheit aus?

In Düsseldorf werden mehrere tausend Polizisten im Einsatz sein. Mehrere hundert Seiten umfasst das Konzept vor dem Hintergrund der jüngsten Terroranschläge. Insgesamt sollen laut Tour-Organisation ASO 23 000 Sicherheitskräfte in den gut drei Wochen das Rennen schützen. Über Düsseldorf herrscht am Wochenende ein teilweises Flugverbot.

Wie wird die Tour im TV übertragen?

Die ARD produziert in diesem Jahr so viele TV-Bilder wie noch nie. Zur Rekord-Berichterstattung von der wichtigsten Radsport-Rundfahrt gehören neben den meist 80 Minuten langen Sendungen im Hauptprogramm des Ersten die mehrstündigen Übertragungen beim Digitalprogramm One und im Internet (sportschau.de). Als Alternative für die Tour-Fans gibt es auch bei Eurosport eine Rekord-Berichterstattung von mehr als 100 Stunden Live-Berichterstattung.


(dpa)

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