Stuttgart – Bundestrainer Christian Prokop gesteht nach dem Vertrauensbeweis durch den Deutschen Handballbund (DHB) eigene Fehler ein. Im dpa-Interview spricht er außerdem über Nationalspieler, die einen Rücktritt erwägen.
Wie haben Sie die Entscheidung des DHB-Präsidiums aufgenommen?
Christian Prokop: Nach zuletzt sehr intensiven Wochen freue ich mich über den Vertrauensbeweis des Deutschen Handballbundes.
Hat Sie die Entscheidung überrascht?
Prokop: Ich habe mich in allererster Linie über das Ergebnis gefreut.
Laut DHB-Sportvorstand Axel Kromer sollen Sie in der EM-Analyse Fehler eingestanden und Veränderungen im eigenen Handeln zugesagt haben: Welche Fehler haben Sie gemacht und was wollen Sie ändern?
Prokop: Ich habe bereits mehrfach betont, dass ich die Nichtnominierung von Finn Lemke, der neben der sportlichen Leistung auch ein wichtiger Teamplayer ist, als Fehler sehe. Mit Sicherheit war die Kommunikation mit- und untereinander nicht optimal. Ich habe die Mannschaft während der EM zu wenig abgeholt und in wichtige Entscheidungen zu selten mit einbezogen. Jetzt gilt es, die Ergebnisse der Aufarbeitung, vor allem im Dialog, in die anstehenden Aufgaben einfließen zu lassen.
Inwiefern hat die EM in Kroatien Sie selbst und Ihre künftige Arbeitsweise verändert?
Prokop: Wir haben alle gemeinsam eine schwache Europameisterschaft gespielt. Jetzt gilt es, zusammenzustehen, die richtigen Schlüsse einzuarbeiten und uns als Einheit für das sportliche Großereignis, die WM im eigenen Land, optimal vorzubereiten. Unser gegenseitiger Austausch muss offen, ehrlich und zielorientiert sein, um alle Stärken zu bündeln.
Wie würden Sie das aktuelle Verhältnis zwischen Ihnen und der Mannschaft beschreiben?
Prokop: Es gibt eine gute Basis, das hat das gemeinsame, erfolgreiche Jahr der EM-Qualifikation und die EM-Vorbereitung gezeigt. Nach der schwachen EM und der erfolgten Aufarbeitung müssen wir aufeinander zugehen und die Kräfte für eine erfolgreiche Heim-Weltmeisterschaft gemeinsam bündeln.
Nationalspieler Steffen Weinhold hat an seine Mannschaftskollegen appelliert, auf Sie zuzugehen und auch von möglichen Rücktritten gesprochen: «Wenn drei, vier, fünf Spieler wegbrechen, fehlt es uns an Qualität», sagte er. Glauben Sie, dass einige Spieler den Weg mit Ihnen nicht weitergehen wollen?
Prokop: Ich werde keinen zwingen, einen gemeinsamen Weg mit mir zu gehen. Ich glaube aber, dass wir alle zusammen schnell aus gemachten Erfahrungen lernen werden und ein gemeinsames Ziel, nämlich erfolgreichen Handball zu spielen, verfolgen. Ich denke, dass alle daran beteiligt sein wollen.
Was wollen Sie tun, um mögliche Rücktritte zu verhindern?
Prokop: Es muss weitere offene, ehrliche Gespräche geben, und es müssen Ziele vereinbart werden.
Inwiefern denken auch Sie selbst über personelle Veränderungen innerhalb der Mannschaft nach?
Prokop: Ich weiß, dass die Mannschaft, die in Kroatien gespielt hat, viel mehr Stärke und Potenzial besitzt, als wir gemeinsam gezeigt haben. Jetzt gilt es, hier anzusetzen und sich weiter zu verbessern.
ZUR PERSON: Christian Prokop (39) ist seit März 2017 Handball-Bundestrainer und besitzt einen Vertrag bis 2022. Nach dem schwachen neunten Platz bei der EM in Kroatien war er in die Kritik geraten. Am Montag hatte der Deutsche Handballbund (DHB) entschieden, sich nicht vom zweifachen Familienvater zu trennen.
(dpa)