Östersund – Seine Liebe zu Schweden entdeckte Wolfgang Pichler schon als junger Mann. Mit dem Zug fuhr er in den Norden, um das Land der Elche zu erkunden. Jahrzehnte später kennt den Biathlon-Trainer dort fast jeder, selbst zum Geburtstag von Kronprinzessin Victoria wurde er schon eingeladen.
«Für mich war es ein perfekter Spielplatz und die Schweden ein Glücksfall», sagte der 64-Jährige der Deutschen Presse-Agentur: «Hier hast du nicht diese harten Strukturen, ich konnte immer machen, was ich wollte – das hat mir einfach getaugt.»
Und am Dienstag konnte er dann mal wieder ausgelassen jubeln, weil einer seiner Athletinnen Außergewöhnliches gelang. Nicht zum ersten Mal. Ein Jahr nach ihrem Olympiasieg wurde Hanna Öberg bei ihrer Heim-WM in Östersund auch Weltmeisterin im Einzel. «Sie wird noch viel mehr gewinnen», sagte der Bayer Pichler und gab der 23-Jährigen vor laufender Kamera euphorisch einen Kuss auf die Wange. Das Toptalent Öberg weinte im Ziel vor Freude und dankte natürlich auch Pichler, «ohne den das alles so nicht möglich gewesen wäre».
Eine Medaille wollte er mit seinem Team gewinnen, bevor er sich am Saisonende als Cheftrainer zurückzieht. Die Rennen vor heimischen Publikum seien dabei eher eine Belastung. «Im Biathlon ist es mit dem Schießen wie bei einer Fußball-WM mit dem Elfmeterschießen. Meine Aufgabe ist es, den Druck runterzufahren», sagte Pichler. Von 1995 bis 2010 arbeitete er erstmals bei den Schweden und formte Magdalena Forsberg zu einer der größten ihres Sports, zur sechsmaligen Weltmeisterin. Nach einem Intermezzo in Russland ist Picher seit 2015 zurück und hat eine neue Generation an die Weltspitze herangeführt.
«Wolfang ist einer der besten Trainer, den ich hatte. Er holt das Beste aus uns raus», sagte Sebastian Samuelsson, der mit Schwedens Staffel im Vorjahr sensationell Olympiagold holte. Pichler steht für gezieltes, gut koordiniertes und hartes Training, fördert Talente, legt viel Wert auf das Schießen und macht zu jeder Zeit klare Ansagen. Er habe in seiner Zeit in Skandinavien «nie fertige Athleten übernommen, sondern Sportler, die nichts waren. Die habe ich dann aufgebaut». Und alle danken es ihm. «Mich macht stolz, dass ich auch heute noch eine super Verbindung zu meinen Athleten habe.»
Doch dieser Einsatz geht an die Substanz. «So wie ich arbeite, mit Herzblut, ist das sehr anstrengend», sagte Pichler, der schlecht schläft, wenn etwas nicht läuft. Möglicherweise wird er dem Biathlon kommende Saison in anderer Funktion erhalten bleiben, deutete er am Rande der WM schon an. Ganz loslassen kann der Mann, der sich selbst «einen der besten Trainer der Welt» nennt, wohl noch nicht.
Richtig nach Schweden ausgewandert ist er nie, und hat das auch nicht mehr vor. «Schweden ist für mich das beste Land zum Leben, aber ich bin ein richtiger Bayer. Ich würde nie aus Ruhpolding wegziehen.» In Skandinavien werden sie Pichler nicht vergessen, selbst, wenn er mal nicht mehr neben seinen Athleten die Anstiege hochrennt und ihnen Tipps zubrüllt. Dafür sorgt gerade auch das schwedische Fernsehen, dass eine Serie über ihn dreht. «Da musst du aufpassen, dass du nicht abhebst und denkst: Du bist wirklich ein Großer», sagte Pichler.
(dpa)