Heerenveen – Erst streckte sie freudig die Zunge raus und reckte den Daumen in die Luft, dann klatschte sie ihren Trainer Peter Mueller ab und umarmte ihren Lebensgefährten.
Claudia Pechstein ist am Sonntag mit fast 45 Jahren ein Überraschungs-Coup gelungen. Zum 110. Mal in ihrer Karriere stürmte die Berliner Olympiasiegerin in Heerenveen als Zweite über 5000 Meter auf ein Podest im Eisschnelllauf-Weltcup. «Unglaublich. Jede Medaille in diesem Alter ist für mich eine Goldmedaille», reagierte Pechstein ausgelassen und lief mit schwarz-rot-goldener Fahne und der Aufschrift «Bedankt Thialf» (Danke Thialf) die Ehrenrunde.
In 7:00,82 Minuten musste sie nur der Olympiasiegerin und Weltmeisterin Martina Sablikova aus Tschechien (6:57,64) den Vortritt lassen, die mit ihrem 13. Weltcupsieg auf dieser Strecke der Rekordsiegerin Gunda Niemann-Stirnemann (Erfurt/15) immer näher rückt. Pechstein verbuchte ihren ersten Podiums-Platz seit fast genau zwei Jahren. Am 14. Dezember 2014 hatte sie ebenfalls in Heerenveen mit dem deutschen Team-Trio den zweiten Platz in der Verfolgung belegt. «Das Ergebnis zeigt mir, dass mein Weg mit eigenem Team der richtige ist», meinte Pechstein, die nun auch bei der WM auf der Olympia-Bahn in Südkorea im Februar 2017 eine Medaille anstrebt.
Den letzten von bisher 32 Weltcupsiegen hatte sie im November 2014 in Seoul auch über 5000 Meter verbucht. In Heerenveen lief sie konstante Rundenzeiten wie «mit einem eingebauten Autopiloten» – wie ihr Lebensgefährte Matthias Große registrierte. «Das Rennen war schwerer, als es vielleicht aussah. Aber es war zu 90 Prozent ein perfekter Lauf. Auf meine Schlussrunde konnte ich mich verlassen», sagte Pechstein zufrieden. Mit der zweitstärksten letzten Runde verdrängte sie die 23 Jahre jüngere Niederländerin Melissa Wijfje noch vom zweiten Rang und holte sich neue Motivation für den Weg zu Olympia 2018. Bente Kraus lief in der modernisierten Thialf-Arena gleichfalls ein Klasse-Rennen und belegte in 7:07,44 Minuten den sechsten Platz.
Pechstein hatte die Rennen im Team und Massenstart ausgelassen, um sich auf ihre Spezialstrecke konzentrieren zu können. In ihrer Abwesenheit hatten Gabi Hirschbichler, Roxanne Dufter und Isabell Ost als Zweite der Verfolgung hinter Weltmeister Japan auch den Sprung aufs Podest geschafft. Einen Achtungserfolg verbuchte Gabi Hirschbichler als Neunte über 1000 Meter in 1:16,25 Minuten.
Noch besser präsentierten sich die deutschen Herren auf dieser Distanz. Der 21-Jährige Joel Dufter lief in 1:08,87 Minuten in persönlicher Bestzeit als Fünfter in die Weltspitze, Nico Ihle war als Sechster nur drei Hundertstel langsamer. «Ich wollte in die Top drei, aber ich bin nicht unzufrieden», meinte der Chemnitzer. Im Teamsprint musste das deutsche Trio nach Platz zwei in Nagano mit dem fünften Platz zufrieden sein. «Uns tröstet, dass wir im Weltcup immer noch auf Platz zwei liegen», sagte Ihle.
Einen starken Eindruck hinterließ auch Patrick Beckert. Im ersten Weltcup-Rennen der Saison über 10 000 Meter verfehlte der Erfurter in Abwesenheit des einheimischen Weltmeisters Sven Kramer in 13:06,14 Minuten das Podest als Vierter nur knapp. Moritz Geisreiter wurde beim Sieg von Olympiasieger Jorrit Bergsma (12:52,20) Sechster.
(dpa)