Doha – Gigantische Werbewände weisen in Katars Hauptstadt schon drei Jahre vor dem Anpfiff auf die Fußball-WM hin. Oft stehen sie am Rande der unzähligen Baustellen in Doha, wo vier der acht Stadien eingebettet in neue Stadtteile für das große FIFA-Spektakel entstehen.
«Expect Amazing» – in etwa «Erwarte Erstaunliches» – lautet der Slogan der ersten und seit der Vergabe im Jahr 2010 umstrittenen Endrunde in einem arabischen Land, das schon eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2032 erwägen soll.
Erstaunt waren auch die Leichtathleten bei ihrer WM in Doha, die am Sonntag zu Ende geht – überwiegend aber nicht im positiven Sinne: Hitze und ein permanent halbleeres Khalifa-Stadion sorgten für negative Schlagzeilen und die Frage, ob das Emirat für die Fußball-WM, die vom 21. November bis 18. Dezember 2022 mit 32 Mannschaften über die Bühne gehen wird, der richtige Austragungsort ist.
«Ich frage zurück: Warum sollte es der falsche Platz sein», antwortete Sebastian Coe, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, nur mit einer Gegenfrage. Für ihn habe es bei seiner WM keine Probleme, sondern nur Herausforderungen gegeben. Es klingt nach Schönfärberei.
«Das ist schwierig einzuschätzen», sagte Dagmar Freitag, die Sportausschussvorsitzende des Bundestages. «Möglicherweise wird es sogar einfacher als mit der Leichtathletik-WM, weil Fußball eine Sportart ist, die, was die Begeisterung angeht, weltweit an der Spitze steht. Auch in Katar.» Somit dürfte es leichter sein, die Stadien zu füllen. «Und zwar mit Menschen, von denen viele dann auch wirklich fußballbegeistert sind», sagte die SPD-Politikerin.» Zumal Katar in diesem Jahr Asien-Meister geworden ist.
Der Fußball-Weltverband FIFA sieht nur Chancen und keine (sportpolitischen) Bedenken. Für FIFA-Präsident Gianni Infantino seien alle «Zutaten vorhanden», um die WM 2022 zu einem «unvergesslichen Ereignis» zu machen.
«Die Zusammenarbeit mit den katarischen Behörden ist hervorragend. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die anstehenden FIFA-Wettbewerbe in Katar erfolgreich verlaufen werden», sagte Helmut Spahn, der deutsche Sicherheitschef des Weltverbandes, der vor seinem FIFA-Engagement fünf Jahre in Katar gelebt hat, der Deutschen Presse-Agentur. Die Durchschnittstemperaturen im November und Dezember lägen zwischen 15 und 24 Grad Celsius und böten «für alle Spieler und Fans optimale Bedingungen».
Rechtzeitig zur Club-Weltmeisterschaft im Dezember wird das dritte WM-Stadion fertiggestellt sein und eingeweiht werden. In der 40.000 Zuschauer großen Arena am Rande Dohas wird das Halbfinale am 18. Dezember ausgetragen, für das Champions-League-Sieger FC Liverpool gesetzt ist. Drei Tage später werden dort das Finale sowie das Spiel um Platz drei ausgetragen.
Obwohl vier der acht Stadien des von 2,7 Millionen Menschen bewohnten Landes in anderen Städte gebaut wurden und werden, beträgt die längste Distanz zwischen ihnen 55 Kilometer oder höchstens eine Stunde Fahrtzeit. WM-Mittelpunkt bleibt aber Doha, wo rund 1,5 Millionen Gäste und sämtliche 32 Mannschaften wohnen – und wo auch das Endspiel kurz vor Heiligabend 2022 im 80.000 Zuschauer fassenden Lusail-Stadion stattfinden soll.
«Alle Mannschaften und Fans in ‚einer Stadt‘ zu haben, ist sicher eine Herausforderung, aber auch eine große historische Chance mit vielen positiven Aspekten», sagte Spahn. Während der WM soll in den geplanten Fan-Zonen Bier ausgeschenkt werden, was in dem muslimisch geprägten Land normalerweise strikt untersagt ist. Aber es wird ein teures Vergnügen: Ein Glas Bier kostet derzeit 55 Riyal (rund 13,40 Euro).
«Ob allerdings Fans aus anderen Ländern Lust haben, die Vorweihnachtszeit in Stadien in der Wüste zu verbringen, versehe ich mal mit einem ganz großen Fragezeichen», sagte Freitag. Zumal die Fußball-WM umstritten bleiben werde. «Ich gehe davon aus, dass die Kritik an den gesellschaftspolitischen Umständen auch bis 2022 nicht verebben wird», sagte sie. Nach allem, was man höre, hätte sich die Situation in Doha für die Gastarbeiter – von denen 30.000 bei WM-Projekten im Einsatz sind – verbessert, «aber eben noch nicht überall im Land: Und dort, wo es noch nicht weitergegangen ist, herrschen wohl weiter inakzeptable Zustände.»
(dpa)