Rio de Janeiro – Es geht auch ohne den Superstar: Als sich die brasilianische Fußballnationalmannschaft in Belo Horizonte mit zwei schön herausgespielten Toren gegen den Erzrivalen Argentinien ins Finale der Copa América schießt, muss Neymar seinen Teamkameraden von der Tribüne aus zujubeln.
Wegen einer Knöchelverletzung kann der Ausnahme-Stürmer bei der Südamerikameisterschaft im eigenen Land nicht selbst mitmischen. So mancher sagt: Zum Glück.
Neymar hatte zuletzt für Unruhe gesorgt. Wegen der angeblichen Vergewaltigung einer Frau in einem Pariser Hotel wird gegen ihn ermittelt, es gab zudem Spekulationen über eine mögliche Rückkehr des 27-Jährigen von Paris Saint-Germain zum FC Barcelona. Zum Training vor der Copa kam er teilweise zu spät, flog dann aber mit dem eigenen Hubschrauber ein und zog alle Aufmerksamkeit auf sich.
«Er lebt für den Ruhm und verhält sich unverantwortlich», sagte Tostão, der brasilianische Weltmeister von 1970, kürzlich der Zeitung «El País». «Er wirkt wie ein Popstar, aber das ist schlecht für seine Karriere.»
Der Nationalmannschaft scheint der Superstar unterdessen nicht zu fehlen. Der Gastgeber steuerte souverän durch die Gruppenphase, warf im Viertelfinale Paraguay aus dem Turnier und zeigte im Halbfinale gegen Argentinien sein bislang bestes Spiel bei der Copa América. Dass die Argentinier danach heftig einige Entscheidungen des Referees monierten, störte die Brasilianer wenig.
Beide Tore im «Superclásico de las Américas» waren echte Gemeinschaftswerke: Dani Alves, Roberto Firmino und Gabriel Jesus agierten als perfekte Einheit, ohne Alleingänge oder Allüren. Nach einem spektakulären Sprint aus der eigenen Hälfte hinaus suchte Gabriel Jesus beispielsweise nicht selbst den Abschluss, sondern passte zu Firmino, der aus kurzer Distanz sicher verwandeln konnte.
«Ich sehe nach dem Ausfall von Neymar ein Brasilien, das kompakter spielt und mehr eine echte Mannschaft ist», sagte der bolivianische Nationaltrainer Eduardo Villegas. Brasiliens Coach Tite hatte Neymars fußballerische Fähigkeiten zwar gelobt, allerdings auch klargestellt: «Niemand ist unersetzlich.»
Sollte es Neymar wurmen, dass es auch ohne ihn läuft, lässt er sich das zumindest nicht anmerken. Beim Spiel gegen Argentinien jubelte er gemeinsam mit Fans auf der Tribüne, nach dem Abpfiff feierte er mit dem Team in der Kabine. Frei von Verpflichtungen machte Neymar Fotos mit Fans, unterhielt sich mit Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro und tröstete Argentiniens Star Lionel Messi nach dem Ausscheiden der Albiceleste. Auf einem Video war zu sehen, wie Neymar seinen großen Konkurrenten in einem Flur des Stadions traf und ihn in den Arm nahm.
Am Sonntag geht Brasilien als klarer Favorit in das Endspiel im legendären Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro gegen Peru. Insgesamt vier seiner insgesamt acht Siege bei der Copa verbuchte Brasilien vor heimischer Kulisse. Doch die Peruaner um Ex-Bundesliga-Profi Paolo Guerrero hatten im Halbfinale gegen Chile (3:0) mit viel Spielfreude und Kampfgeist überrascht.
«Wir sind in einer guten Verfassung, um das Finale zu spielen, aber wir treffen auf eine der besten Nationalmannschaften der Welt», sagte Perus Trainer Ricardo Gareca. «Wir suchen nach Wegen, wie wir Brasilien entgegentreten können. Unsere Intention ist zu gewinnen.»
Brasilien hat die Copa América zum letzten Mal 2007 gewonnen und es seitdem noch nicht einmal unter die besten Vier geschafft. Peru wurde immerhin 2011 und 2015 jeweils Dritter. Der letzte Südamerikatitel der Peruaner liegt allerdings schon 44 Jahre zurück.
Bereits in der Gruppenphase war Peru auf den Rekordweltmeister getroffen und wurde mit 0:5 abgefertigt. «Es war ein hartes Spiel gegen Brasilien, aber jetzt kommt eine neue Partie», sagte Halbfinal-Torschütze Yoshimar Yotún. «Wir werden unsere Hausaufgaben machen und die Copa holen.»
(dpa)