Rotterdam – Die Ski-Nation Österreich hat den Frauenfußball entdeckt. Spätestens mit dem ebenso souveränen wie sensationellen Einzug ins Viertelfinale der Europameisterschaft in den Niederlanden fliegen den ÖFB-Spielerinnen die Herzen in der Alpenrepublik nur so zu.
«Das Fußball-Märchen geht weiter», titelte der «Kurier» nach dem 3:0 gegen Island, mit dem das Team um Spielführerin Viktoria Schnaderbeck vom FC Bayern München die EM-Vorrunde sogar als souveräner Gruppensieger vor Frankreich und der Schweiz abschloss. Fast alle ÖFB-Frauen spielen in der deutschen Bundesliga.
Das Boulevard-Blatt «Kronen Zeitung» widmete dem Team von Cheftrainer Dominik Thalhammer eine Doppelseite und schwärmte vom «historischen» Erfolg des EM-Debütanten, der sich nie zuvor für ein großes Frauenfußball-Turnier qualifiziert hatte: «Sind im siebenten Himmel!»
Der erneut enttäuschende Auftritt der Fußballer von Meister Red Bull Salzburg in der Champions-League-Qualifikation wurde daheim kurz abgehandelt. Denn das Team von RB-Trainer Marco Rose, das wegen der Frauen-Partie gegen Island am Mittwoch sogar ins TV-Vorabendprogramm des ORF verbannt worden war, kam im Drittrunden-Hinspiel gegen HNK Rijeka nicht über ein mageres 1:1 hinaus und droht – wie bisher immer – die Gruppenphase der Königsklasse zu verpassen.
Da auch die Fußball-Nationalmannschaft der Männer zuletzt wenig Freude bereitete, sind die Österreicher mit fliegenden Fahnen zu den Frauen übergelaufen. Die gesamte Ministerriege twitterte Glückwünsche. Und Bundeskanzler Christian Kern, der die Damen vor Wochen schon persönlich Richtung Holland verabschiedet hatte, setzte im Kurznachrichtendienst noch am Abend ein Bild ab, das ihn mit dem Victory-Zeichen vor dem Fernseher zeigt. «3:0. Gruppensieger. Grandioser Erfolg – taktisch, läuferisch einfach top. Herzlichen Glückwunsch an unser Team», ergänzte Kern auf Twitter am Donnerstag.
ÖFB-Teamchef Thalhammer hat seit seinem Amtsantritt 2011 aus dem einstigen Frauenfußball-Entwicklungsland einen ernstzunehmenden Herausforderer gemacht. Auch die Spielerinnen schwärmen von ihrem 46 Jahre alten Trainer. «Er arbeitet akribisch, ist ehrgeizig und fachlich auf einem sehr hohen Niveau. Deshalb sind wir auch da, wo wir jetzt sind», betonte Bayerns Mittelfeldspielerin Schnaderbeck.
Neben der Spielführerin verdienen 13 weitere Akteurinnen ihr Geld im Nachbarland Deutschland. Dass sie sich Woche für Woche in der Bundesliga mit den Besten messen, trieb ihre Entwicklung rasant voran. «Man wird von Spiel zu Spiel voll gefordert und trainiert mehr. Dadurch ist man einfach körperlich fitter und für den Fußball, den wir im Nationalteam spielen, besser bereit», sagte Österreichs Rekordtorschützin Nina Burger, die wie einige andere beim DFB-Pokalfinalisten SC Sand kickt.
Nicht nur die ehemalige Bundestrainerin Silvia Neid, die die EM-Spiele für den DFB analysiert, ist gespannt, wie weit die Euphoriewelle das mit 23,17 Jahren im Schnitt jüngste der 16 EM-Teams noch trägt. «Sie haben einen sehr guten Trainer, verfügen über eine gute Fitness, sind unbekümmert und erfolgshungrig», sagte Neid, die dem Außenseiter einiges zutraut. Sollten Österreich und Deutschland ihre Viertelfinalspiele am Wochenende gewinnen, käme es am kommenden Donnerstag in Breda zum brisanten Halbfinal-Duell.
(dpa)