Nowitzki tritt nach 21 Jahren US-Basketball glücklich ab

Dallas – Dirk Nowitzki war vollkommen überwältigt. Nachdem seine fünf Vorbilder um Larry Bird ihn mit Lobeshymnen zu Tränen gerührt hatten, schnappte er sich das Mikrofon und verkündete auf größtmöglicher Bühne das Ende.

«Das war mein letztes Heimspiel», rief der gefeierte Basketball-Superstar den kreischenden Fans der Dallas Mavericks zu. Die «One More Year» und «We Want Dirk»-Rufe der Anhänger waren vergebens, ihr großes Idol Nowitzki hatte sich da längst gegen ein rekordverdächtiges 22. NBA-Jahr und für mehr Zeit mit seiner Frau Jessica und den drei Kindern entschieden.

«Es bleiben so viele Erfahrungen. Ich habe die Welt bereist, habe Freundschaften geschlossen, eine neue Heimat gefunden hier mit Frau und Familie. Ich kam damals mit 20 und war noch grün hinter den Ohren. Ich bin hier zum Mann aufgewachsen», sagte ein sichtlich ergriffener Nowitzki. Der 40-Jährige hatte schon vor Spielbeginn mit den Tränen zu kämpfen und musste sich diese auch während des 120:109-Sieges gegen die Phoenix Suns mehrere Male aus den Augen wischen. «Es war eine unglaubliche Reise», rief der Würzburger, der als einer der größten deutschen Sportler in die Geschichte eingehen wird, den Fans zu.

Im letzten Heimspiel, das ausschließlich im Zeichen der schillernden Laufbahn des Deutschen stand, brachte es Nowitzki noch einmal auf 30 Punkte und überholte damit Basketball-Legende Michael Jordan als ältesten Spieler mit mindestens 30 Zählern in einem NBA-Spiel. Und plötzlich wurde die Halle dunkel und seine Idole Larry Bird, Detlef Schrempf, Scottie Pippen, Shawn Kemp und Charles Barkley standen vor Nowitzki und huldigten dem Routinier. «Das war ein sehr emotionaler Moment. Vielen Dank an (Team-Besitzer) Mark Cuban und an die Mavs. Sie haben das großartig gemacht, ich war sprachlos», sagte Nowitzki, der in das Prozedere nicht eingeweiht war.

Sprachlos war nicht nur der 40-Jährige, sondern auch einige seiner Weggefährten, schließlich hatte Nowitzki fast niemanden in seinen endgültigen Entschluss («Die Comeback-Chancen stehen bei null Prozent») eingeweiht. «Wir waren alle überrascht, als er dann gesagt hat, das war sein letztes Heimspiel. Man ist davon ausgegangen, aber es war das erste Mal, dass er es gesagt hat», sagte Landsmann und Teamkollege Maximilian Kleber. Die Verkündung zu diesem Zeitpunkt kam überraschend, hatte Nowitzki doch wenige Tage zuvor noch eine Entscheidung im Familienurlaub in der Karibik angekündigt – zu einem Zeitpunkt, als er seinen Entschluss schon gefasst hatte.

Das sportlich bedeutungslose Spiel gegen Kellerkind Phoenix wurde im ausverkauften American Airlines Center zu einer einzigen Dirk-Show. Schon vor dem Spiel lagen tausende Nowitzki-Masken auf den Sitzen, Mitarbeiter der Mavericks trugen beinahe geschlossen Shirts mit der Aufschrift «41.21.1.». Die 41 ist Nowitzkis Rückennummer, 21 Jahre spielte er für einen NBA-Club. In den Auszeiten wurden Zusammenschnitte zur Karriere Nowitzkis gezeigt. «Er ist einer der Größten überhaupt», ließ LeBron James per Videobotschaft ausrichten. Ex-Superstar Shaquille O’Neal sagte auf Deutsch: «Ich liebe dich.»

Nowitzki blickt auf eine überwältigende Laufbahn mit vielen Erfolgen und Meilensteinen zurück. So führte er die Mavericks 2011 zu ihrem ersten NBA-Titel, vier Jahre zuvor war er zum wertvollsten Spieler der nordamerikanischen Profiliga gewählt worden. «Er wird daher die größte Statue aller Zeiten bekommen», kündigte Mavs-Besitzer Cuban bei seiner finalen Lobeshymne an. «Danke, danke, danke, danke. Es wird niemand mehr so sein wie du.» Er hatte die Zeremonie nach der Partie in die Wege geleitet und schon vorab gewarnt, die Fans sollten bitte «genügend Taschentücher» mitbringen.

Da Dallas die Playoffs in der nordamerikanischen Profiliga verpasst hat, wird die Partie am Mittwochabend (2.00 Uhr MESZ am Donnerstag/DAZN) bei den San Antonio Spurs der letzte reguläre NBA-Auftritt für Nowitzki. «Ich will noch ein bisschen spielen und will es genießen. Aber heute Nacht war die große Nacht.» Er wolle dabei noch «noch ein paar Dreier draufholzen», sagte «Dirkules».

Er wird als der bislang beste deutsche Basketballer in die Geschichte eingehen. In der ewigen Punkte-Bestenliste der NBA überholte er gerade erst Legende Wilt Chamberlain und kletterte auf Platz sechs. Auch das Nationalteam prägte Nowitzki jahrelang, gewann WM-Bronze 2002, EM-Silber 2005 und erfüllte sich 2008 in Peking den Traum von einer Teilnahme an Olympischen Spielen. «Er hat gezeigt, dass Weltstar-Sein durchaus zu hundert Prozent damit verbunden sein kann, menschlich geerdet zu bleiben, menschlich trotz größter sportlicher Erfolge die allerhöchste Qualität zu haben», sagte Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann der Deutschen Presse-Agentur über seinen früheren Schützling.

Diese Saison machten Nowitzki lange Zeit Fußprobleme nach einer Knöcheloperation im April 2018 zu schaffen. Erst Mitte Dezember kehrte er auf das Parkett zurück und wurde danach regelmäßig geschont. Der Körper war letztlich auch der Hauptgrund dafür, eine 22. Saison nicht mehr in Angriff zu nehmen. «Es hat sich schon die ganze Saison ein wenig abgezeichnet. Es macht mit dem Fuß einfach keinen Sinn mehr, der Fuß ist nicht mehr gut genug», konstatierte Nowitzki, der nach geschaffter Abschiedsgala in den Katakomben erleichtert, gelöst und mit aller Geduld zu den Journalisten sprach.

Die Freizeit, die sich nun ergibt, will Nowitzki vor allem mit seiner Familie nutzen. Die Söhne Max und Morris sowie Tochter Malaika nehmen längst schon großen Raum in seinem Leben ein, sollen nun aber noch mehr von Papa Dirk haben. «Ich bin froh, dass jetzt mein anderes Leben beginnt», bekundete Nowitzki.

Das Messen mit den Besten und die Kameradschaft werden ihm zwar nach eigener Aussage fehlen, doch dafür sollen sich neue Chancen ergeben. «Worauf ich mich freue, ist, dass einfach mal der Druck weg ist. Im Sommer mal nichts zu machen und an diesem Donnerstag Eis und eine Pizza zum Frühstück zu essen. Sich einfach mal gehen zu lassen, vielleicht mal Skifahren zu gehen, was ich schon über 25 Jahre nicht mehr gemacht habe», sagte Nowitzki.


(dpa)

(dpa)