Norwegen sinnt gegen deutsche Handballer auf Revanche

Herning – Vor wenigen Jahren war die Wintersportnation Norwegen bei den Männern noch ein Handball-Zwerg. Die Wikinger standen stets im Schatten der Frauen, die internationale Titel in Serie holten. Dann kam Christian Berge. Der Coach formte ein Team, das heute zu den besten der Welt gehört.

Nach einer 33:34-Halbfinalniederlage gegen den späteren Europameister Deutschland wurden die Norweger 2016 EM-Vierter, 2017 schließlich Vize-Weltmeister. Und nun? «Wir wollen selbstverständlich ins Finale», sagte Berge vor dem Halbfinale gegen die DHB-Auswahl am Freitag (20.30 Uhr/ARD) in Hamburg. Und Kreisläufer Bjarte Myrhol erklärte: «Wir sind hungrig auf mehr.»

Berge und seine Mannschaft verbindet so einiges mit dem deutschen Handball. Der 45 Jahre alte Trainer war von 1999 bis 2006 zentraler Rückraumspieler beim Bundesligisten SG Flensburg-Handewitt. Während seiner Zeit in Flensburg wurde bei ihm eine bösartige Krebserkrankung festgestellt. Auf das erste Comeback folgte erneut ein Tumor, dann eine weitere Rückkehr auf das Parkett und schließlich das Ende seiner aktiven Karriere. Anfang 2014 wurde er Trainer des norwegischen Nationalteams. Zehn seiner Akteure spielen heute in Deutschland.

«Wie in jedem Spiel wollten wir viel laufen», konstatierte Berge nach dem 35:26 (16:13)-Erfolg im letzten Hauptrundenspiel gegen Ungarn. Weil Co-Gastgeber Dänemark danach den EM-Zweiten Schweden bezwang, war der Weg für die Norweger in die Vorschlussrunde frei.

Berges Spielidee macht sich auch in den Teamwerten bemerkbar. Nicht umsonst haben die Norweger bei dieser WM bereits 66 Treffer nach Tempogegenstößen erzielt – das ist der absolute Topwert des Turniers. Kein Team hat bislang so viele Tore geworfen wie die Norweger (272), niemand war dabei treffsicherer (70 Prozent).

Besonders Magnus Jöndal läuft seit Tagen heiß. Neun Tore zum WM-Auftakt gegen Tunesien, dann zuletzt elf Treffer gegen Schweden und sieben gegen Ungarn: Der Linksaußen von der SG Flensburg-Handewitt trifft am – und das ist bei den Norwegern wörtlich zu nehmen – laufenden Fließband und bei einer Treffsicherheit von 90 Prozent mit beeindruckender Effizienz. In der Topscorerliste liegt er mit 46 Toren auf Rang vier – und damit vier Tore vor Deutschlands Topwerfer Uwe Gensheimer.

Dessen Pariser Vereinskollege Sander Sagosen hat bislang 42 Tore auf seinem Konto. Der 23 Jahre alte Superstar der Norweger hat aber für seine Verhältnisse noch nicht die Topform erreicht bei dieser WM. Seine Trefferquote ist mit 59 Prozent durchschnittlich.

Das ändert aber nichts daran, dass Sagosen im Rückraum für das deutsche Team einen ständigen Gefahrenherd darstellen wird – wie bereits im EM-Halbfinale 2016. Er sucht das Eins-gegen-eins, was dem schnellen Spiel seiner Mannschaft eine weitere Komponente hinzufügt. Die Erinnerungen an das Drama von 2016, als die Norweger erst nach Verlängerung verloren, ist übrigens eine zusätzliche Motivation. «Deutschland in Deutschland zu schlagen, das wird eine harte Nuss», sagte Kreisläufer Myrhol. «Aber wir wollen uns für die EM 2016 revanchieren.»


(dpa)

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