Frankfurt/Berlin – Ein weiterer alarmierender Fall von Gewalt gegen Schiedsrichter im Amateurfußball verstärkt die Empörung und lässt den Ruf nach Konsequenzen immer lauter werden.
«Die jetzt erkennbare Dimension stimmt sehr nachdenklich und macht einen fassungslos», sagte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, zur Eskalierung der Übergriffe. «An der Stelle darf es nur null Toleranz geben, weil ansonsten der sportliche Wettbewerb zum Erliegen kommt. Die Schiedsrichter haben zu hundert Prozent unsere Solidarität und Unterstützung.»
Bei einem Kreisliga-Spiel zwischen der FSV Münster und dem TV Semd hatte ein Spieler den 22 Jahre alten Referee bewusstlos geschlagen. Er hatte dem 28-jährigen Spieler der FSV Münster nach Angaben der Polizei während der Partie die Gelb-Rote-Karte gezeigt und wurde daraufhin von diesem niedergeschlagen. Nachdem er wieder bei Bewusstsein war, wurde der Schiedsrichter mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen.
Einen weiteren Vorfall hat es nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung am Wochenende in Nordrhein-Westfalen gegeben: Bei einem C-Liga-Spiel zwischen TuS 08 Rheinberg und Fichte Lintfort kam es zu einer Schlägerei, weil ein Verantwortlicher des Heimvereins einen Zuschauer auf das Rauchverbot auf dem Sportplatz hinwies.
«Wir sind schockiert über diesen neuerlichen Vorfall körperlicher Gewalt gegen unsere Schiedsrichter», sagte Stefan Reuß, Präsident des Hessischen Fußball-Verbandes (HFV). «Leider reißen die Meldungen von verbaler und körperlicher Gewalt gegen Schiedsrichter in jüngster Zeit nicht ab.» Der Fall von Münster ist nur einer von fünf durch die Polizei seit einem Monat in Deutschland gemeldeten.
Betroffen zeigte sich auch der Trainer des Zweitligisten Darmstadt 98 über den jüngsten Übergriff. «Ich war geschockt, als ich das gehört habe», sagte Dimitrios Grammozis. Bei aller Emotionalität habe Gewalt im Fußball nichts zu suchen. «Das darf in keiner Weise toleriert werden. Da müssen drastische Strafen her.»
Der HFV werde «diese Auswüchse an Gewalt nicht tolerieren, sondern mit aller Härte und allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln sportgerichtlich dagegen vorgehen», erklärte Reuß. Er appelliere an alle Clubs, sich bewusst zu machen, «dass wir in eine zunehmend dramatischere Situation kommen und immer weniger Sportfreunde zukünftig bereit sein werden, sich als Schiedsrichter einzubringen.» In Berlin ist die Anzahl der Referees mit derzeit rund 1000 bereits rückläufig. Insgesamt pfeifen rund 70 000 Schiedsrichter unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes.
Nach 109 Vorfällen von Gewalt und Diskriminierung in dieser Saison in den Berliner Amateur- und Jugendklassen, bei denen in 53 Fällen Referees betroffen waren, waren in der Bundeshauptstadt alle rund 1500 Spiele von den Schiedsrichtern am Wochenende bestreikt worden.
Mit Sofortmaßnahmen wie ein Runder Tisch, eine Ordner-Pflicht sowie konsequente Strafen auch für Problemvereine soll nun für eine schnelle erste Entspannung in Berlin gesorgt werden. «Es gibt eine hohe Verunsicherung bei den Schiedsrichtern. Das nehme ich sehr ernst», sagte Berlins Fußball-Verbandspräsident Bernd Schultz. «Es muss nicht erst zum Schlimmsten kommen.»
Bereits Mitte September hatte es nach einem schweren tätlichen Angriff einen Schiedsrichter-Streik im Saarland gegeben, um «zum Nachdenken» anzuregen und zu «sensibilisieren, wie wir alle, Schiedsrichter, Spieler, Fans, Trainer und Betreuer, in Zukunft miteinander umgehen wollen», mahnte der Saarländische Fußballverband damals seine Vereine mit einem offenen Brief zu einem Kulturwandel.
(dpa)